Wirtschaftspolitik: Wirtschaftspolitik Die Diskussion um die Arbeitszeit – Ökonomie aus dem Schlaraffenland

Das DGB-Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit!“ für den 1. Mai paßte zum Zeitgeist. Denn die Deutschen haben immer weniger Lust zu arbeiten. Das legen jedenfalls Umfragen nahe, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW-Kurzbericht 24/24) berichtet. Demnach liegt die Wunscharbeitszeit der Erwerbstätigen im Durchschnitt drei Stunden niedriger als noch vor 15 Jahren, und zwar quer durch alle Altersgruppen. Es ist also nicht nur die jüngere „Generation Z“, die so denkt, sondern auch Ältere, Männer wie Frauen.

Und das liegt keineswegs an einer Übersättigung der Konsumwünsche, wie die Kölner Ökonomen schreiben. Denn am wenigsten Bock auf Arbeit haben gerade die Geringqualifizierten in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen, die ja nun nicht gerade im materiellen Wohlstand schwelgen. Außerdem gibt die Mehrheit von ihnen an, den Job hauptsächlich des Geldes wegen zu machen. Freude am Beruf oder der Ehrgeiz, etwas erreichen zu wollen, scheinen dagegen nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Arbeitszeit der Deutschen ist bereits unter dem EU-Schnitt

Da hört man es natürlich gerne, wenn die Gewerkschaften höhere Löhne bei kürzerer Arbeitszeit fordern. Noch kürzerer, müßte man eigentlich sagen. Denn die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigten ist in Deutschland mit 1.341 Stunden im Jahr bereits niedriger als in jedem anderen Land. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der EU-Länder sind es 1.571 Stunden, und in den USA wird sogar 1.811 Stunden im Jahr geschafft. Fairerweise muß man zwar hinzufügen, daß es hierzulande viele Teilzeitbeschäftigte gibt. Das drückt den Durchschnitt, obwohl die dahintersteckende hohe Frauen-Erwerbsquote ja eigentlich positiv für den Arbeitsmarkt ist. Trotzdem ist die immer weiter nachlassende Arbeitsfreude der Deutschen ein Problem.

Denn schon jetzt haben die Unternehmen große Schwierigkeiten, genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Selbst für einfache Tätigkeiten in Gastronomie und Handel werden überall händeringend, aber oft vergeblich Leute gesucht. Und auch für die Zukunft sieht es finster aus, denn das Potential an Menschen im erwerbsfähigen Alter nimmt weiter ab. Allein im öffentlichen Dienst werden in den nächsten Jahren 30 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand gehen, sagte sogar die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack (CDU) auf ihrer Mai-Ansprache. Daß da ein offensichtliches Spannungsverhältnis zu weiteren Arbeitszeitverkürzungen besteht, schien ihr nicht aufzufallen.

Einwanderung löst das Problem nicht

Und wie sollen unter diesen Umständen auch noch die Mammutaufgaben gelöst werden, die sich bei der Infrastruktur aufgetürmt haben? Es müssen nicht nur Straßen, Brücken und Gebäude grundlegend saniert werden, sondern zusätzlich will die Politik auch noch alles auf erneuerbare Energien umstellen. Allein dafür sind bis 2035 laut „Fortschrittsmonitor Energiewende 2024“ Investitionen in Höhe von 1,2 Billionen Euro zu tätigen. Das erfordert nicht nur Kapital, sondern auch viel Arbeit, die irgend jemand erledigen muß.

Noch mehr Einwanderung kann nach den bisherigen Erfahrungen wohl kaum die Lösung sein. Denn Ärzte und Ingenieure machten bisher um Deutschland eher einen Bogen. Selbst wenn sie kämen, müßte man sie natürlich auch bezahlen. Wo aber soll dann auch noch das Geld herkommen, den zu Sonne und Freizeit strebenden Deutschen höhere Löhne für weniger Arbeit zu geben? Der DGB verbreitet eine irreale Schlaraffenland-Ökonomie. In Wahrheit werden wir die Ärmel hochkrempeln müssen.

JF 20/24

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