US-Wahlkampf: US-Wahlkampf Curtis Yarvin: Die graue Eminenz im Lager Trumps

Seit Donald Trump im Juni 2015 seinen Eintritt in den damaligen Präsidentschaftswahlkampf erklärte, befindet sich die linksliberale US-Presse auf der Suche nach Erklärungen für die ihr so unheimliche Entwicklung der amerikanischen Politik: Welcher Geist arbeitet da im geheimen gegen den gesellschaftlichen „Fortschritt“?

Zeitweilig galt Steve Bannon, früher Berater Trumps, als die graue Eminenz. Seitdem klar ist, daß James D. Vance als Trumps Vize antritt, fällt hingegen ein anderer Name vermehrt: Curtis Yarvin.

Der Blogger soll seit einigen Jahren mit dem 40jährigen Bestsellerautor („Hillbilly Elegie“) und Politiker befreundet sein, was das linke Magazin New Republic bereits zu der Befürchtung verleitete, es gebe „wenig Zweifel, daß Vance Yarvins verstörenden Techno-Autoritarismus ins Weiße Haus“ einschleppen werde. Und auch der Bogen zum bösen Bannon ist rasch geschlagen: Yarvins Texte sollen zu dessen favorisierter Lektüre gehören.

Konservative und reaktionäre Autoren faszinieren Yarvin

Wer aber ist der Mann, dem nachgesagt wird, Tonfall und Themen der heutigen amerikanischen Politik mitgeprägt zu haben? 1973 als Sohn eines jüdisch-amerikanischen Vaters und einer protestantischen Mutter vermutlich in New York geboren, übersprang Yarvin dank hoher Intelligenz drei Schulklassen und nahm mit nur 15 Jahren ein Mathematikstudium auf, das er vier Jahre später beendete.

Anschließend begann er als Programmierer zu arbeiten, doch als im März 2000 die sogenannte Dotcom-Blase platzte und unzählige Internetfirmen insolvent wurden, verlor er seinen Job. Allerdings gegen eine stattliche Abfindung, weshalb er sich eine Auszeit nahm und sich einmal quer durch die europäische und amerikanische Geistesgeschichte las. Außer Klassiker wie Niccolò Machiavelli faszinieren ihn vor allem fortschrittskritische, reaktionäre und konservativ-revolutionäre Autoren wie der Brite Thomas Carlyle oder Arthur Moeller van den Bruck.

Ab Mitte der 2000er Jahre begann Yarvin, eigene Ideen in Blogeinträgen festzuhalten, erst auf der Seite unqualified-reservations.org, heute als Substack (also kostenpflichtig) unter dem Namen „Gray Mirror“. Seine Texte stießen auf reges Interesse, und schon bald formte sich eine eigene Szene, die Begriffe und Thesen Yarvins bis heute aufgreift und weiterentwickelt.

Von den USA der Gegenwart hält Yarvin nicht viel

Was aber sind diese Ideen, mit denen der autodidaktische Politphilosoph für Furore sorgt? Provokantes Aushängeschild ist wohl seine offene Skepsis gegenüber der Demokratie. Auch von den Vereinigten Staaten der Gegenwart hält er nicht viel – die für ihn wohlgemerkt keine Demokratie, sondern eine Oligarchie sind: Denn vergleichbar der Priesterkaste in traditionalen Gesellschaften sei es die ideologieproduzierende und administrative Schicht – bestehend aus Universitäten, Presse und Behörden, die Yarvin mit dem Begriff „die Kathedrale“ zusammenfaßt –, die Werte und Politik des Westens vorgeben. Für vorteilhaft hält er dagegen die Monarchie, weshalb er die westlichen Staaten von CEOs, einzelnen Geschäftsführern geleitet sehen will, die ihre Länder, ähnlich wie Firmenchefs, in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Effektivität führen.

Den Grusel, der viele Westler bei solchen Vorstellungen überfallen mag, hält Yarvin hingegen für irrational: „Wenn wir an Alleinherrscher denken, denken wir in erster Linie an negative Beispiele. Wir denken an Hitler – aber nicht an Friedrich den Großen“.

Aus der JF-Ausgabe 44/24. 

Quellenlink : US-Wahlkampf: US-Wahlkampf Curtis Yarvin: Die graue Eminenz im Lager Trumps