Urteil in Münster: Urteil in Münster Die AfD und der Verfassungsschutz: Eine toxische Symbiose

Nancy Faeser will auf Nummer sicher gehen. Gleich zweimal verweist die Bundesinnenministerin in ihrer eher dürren Pressemitteilung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster gegen die AfD darauf, daß dieses Gericht „unabhängig“ sei. Eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit, oder? Offenbar nicht.

Die SPD-Politikerin hat offenbar genau erkannt, daß ihr Ministerium und auch der ihr direkt unterstellte Bundesverfassungsschutz ein gehöriges Glaubwürdigkeitsproblem haben. Eben weil Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Ende nur Behördenleiter ohne jede demokratische Legitimation ist. Ein Befehlsempfänger wie etwa auch der Chef der Bundesnetzagentur oder des Wasserstraßen-Neubauamtes.

Es hat eben mehr als nur ein Geschmäckle, wenn eine Regierungsorganisation – hier sogar ein Geheimdienst – eine der größten Oppositionsparteien nachrichtendienstlich ausleuchtet und die Erkenntnisse dann nach Belieben an gewogene Medien weitergibt. Alles illegal. Dennoch wurde noch nie wegen Geheimnisverrats ermittelt, wenn vertrauliche Papiere bei den immer gleichen Medien landen, deren Ausrichtung mit „regierungsnahe“ noch medienfreundlich umschrieben ist.

Haldenwang ist ein knallharter Ideologe

Wo gibt es das auf der Welt? Welche sich selbst als Demokratie verstehende Gesellschaft geht mit staatlichen Mitteln gegen die Opposition vor? Sind das schon „russische Verhältnisse“, wie Regierungspolitiker es gerne umschreiben, wenn sie über Demokratiedefizite in aller Welt schwadronieren? Darauf angesprochen beginnt dann meist das große Geschwurbel. Im Zweifel muß die Zeit des Nationalsozialismus als Argument herhalten.

Haldenwang, der auch Mitglied der CDU ist, tut allerdings alles dafür, die Vorwürfe der AfD, seine Behörde sei ein Regierungsschutz, inhaltlich zu unterfüttern. Denn Haldenwang ist kein sachlicher Behördenleiter – wie alle seine Vorgänger –, sondern auf einer politischen Mission. Ein knallharter Ideologe mit dem ungestillten Bedürfnis, sein Gesicht in die Kameras halten zu müssen, um den Leuten jetzt mal zu erklären, warum er so wichtig ist. „Meine Behörde“ nannte Haldenwang den Verfassungsschutz dann auch auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Nur ist das nicht „seine“ Behörde.

In seinen Kernaufgaben versagt der Inlandsgeheimdienst

Und wieso gibt der Befehlsempfänger Haldenwang eigentlich eigene Pressekonferenzen, in denen er dann theatralisch über „Haß und Hetze“ rumjammert, wenn seine Befehlsgeberin Faeser sich dazu in einer kurzen Pressemitteilung bereits geäußert hat? Weil Haldenwang – 63 Jahre alt – wohl mittlerweile nur noch darauf aus ist, sein „Lebenswerk“ zu retten. Gäbe es die AfD nicht, mit der er sich als vermeintlicher „Retter der Demokratie“ inszenieren könnte, wäre Haldenwang nämlich nur ein unfähiger Behördenleiter wie viele andere.

Die in seinem Amt angesiedelte Spionageabwehr versagt beispielsweise regelmäßig auf ganzer Linie. Im Zweifel werden – wie im Fall von Maximilian Krah – nicht einmal Abgeordnete davor gewarnt, wenn sie unter Spionageverdacht stehende Zuträger des Verfassungsschutzes in sensiblen Bereichen anstellen. Auch sonst gilt Deutschland für so ziemlich jede fremde Großmacht mittlerweile als offenes Buch. Aber wie soll eine Behörde auch Geheimnisse wahren, die nicht mal die eigenen internen Gutachten geheimhalten kann?

Aus den Geschichtsbüchern bekannt

CDU-Parteibuchbesitzer Haldenwang versucht dieses Versagen auf ganzer Linie – wie bei politischen Ideologen eben üblich – durch zunehmende Repression auszugleichen. So erfand der Verfassungsschutz kurzerhand die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, um Kritikern staatlicher Maßnahmen noch so richtig eins reinzudrücken.

Haldenwang hat den Bürgern offenbar nicht verziehen, daß sie seine Behörde mit zunehmender Skepsis sehen. Ganz zu schweigen von seiner nicht anders als totalitär zu bezeichnenden Politik, sich um Meinungsäußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ kümmern zu wollen. Solche Geheimdienste kennt man in Deutschland gut aus den Geschichtsbüchern. In Berlin-Hohenschönhausen steht ein ehemaliges Gefängnis und heutiges Museum, in dem die Menschen aus erster Hand sehen können, wohin Haldenwangs Politik am Ende führen wird.

Bei den Bürgern bleibt nichts neues mehr hängen

Ebenjene Menschen sind es auch, die maßgeblich zum Frust des Verfassungsschutzes beitragen dürften. Verdachtsfall hier, gesicherte Bestrebung da, mal geht es um die AfD, mal um die Junge Alternative und manchmal noch um den formal aufgelösten Flügel. Der normale Bürger mit gänzlich anderen Sorgen, als sie Haldenwang und Faeser wohl abends im Bett plagen, hat längst den Überblick verloren, wer da wen wegen was beobachtet. Hängen geblieben ist am Ende nur: Eine gelenkte weisungsabhängige Regierungsbehörde mag die AfD nicht. Und wer die Partei ohnehin nicht mag, braucht dafür als Argument auch keine staatliche Moralstelle. Schön rausgeputzt hat Haldenwang es am Ende eben nichts genutzt. Daran leidet der Mann.

Und die AfD? Nutzen ihr die Dauerrechtsstreitigkeiten politisch? Wahrscheinlich nicht. Weil der Verfassungsschutz eben keine Durchschlagskraft auf die Wahlentscheidungen der Bürger hat. Die Behörden-Einstufungen interessieren eigentlich nur Journalisten, damit sie in ihren Berichten penetrant davon schreiben können, die AfD sei ein „rechtsextremer Verdachtsfall“. Aber solche Amtspapageien gibt es in jedem System.

Muß die AfD ihre Prozeßstrategie überdenken?

Dennoch muß die AfD sich weiter gegen die Einstufungen des Verfassungsschutzes wehren. Schon demokratietheoretisch sollte man der Partei dafür dankbar sein. Allerdings muß die AfD-Parteispitze auch eine ehrliche Bilanz ihres jüngsten Vorgehens ziehen. War es wirklich so klug, die rund 470 Beweisanträge erst in der Berufungsinstanz zu stellen? War der Antrag, diese dann auch noch alle mündlich vorzulesen, nicht ein bißchen zu offensichtliches Zeitspiel? Und ist die Kanzlei Höcker, die sich ihren guten Ruf mit exzellenten Medienanwälten erworben hat, an dieser Stelle wirklich sinnvoll eingesetzt?

Spätestens als die AfD-Funktionäre mit ein paar Migrationshintergrund-Mitgliedern im Gerichtssaal aufkreuzten, die als Beweis herhalten sollten, daß die AfD ja auf keinen Fall ausländerfeindlich sein könne, hätte jemand mit Befugnis oder noch besser mit Sachverstand in der notorisch basisdemokratischen Partei intervenieren sollen. Das wurde dem Verfahren nicht gerecht und ist auch intellektuell extrem dürftig. Wie es auch schwulenfeindliche Schwule gibt, kann es natürlich theoretisch auch verfassungsfeindliche Ausländer in einer Rechtspartei geben. Damit ist nichts bewiesen und auch nichts widerlegt. Es war einfach überflüssig.

Chancen, ihre Prozeßstrategie zu überdenken, wird es für die AfD noch genug geben. Haldenwang kündigte ziemlich unverhohlen bereits ein Nachfolgegutachten an. Es braucht keine Hellseher, um zu wissen, daß die Partei dann als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft wird. Nicht weil es so wäre, sondern weil Haldenwang es so will.

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