Unaufgefordert eingereicht So will eine Juristengruppe ein AfD-Verbot begründen

BERLIN. Eine Gruppe von Juristen und Rechtsprofessoren hat dem Innenausschuß des Bundestages unaufgefordert ein Gutachten über die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbots vorgelegt. In dem Dokument argumentieren die Autoren, daß ein Verbotsverfahren juristisch gerechtfertigt sei, berichtet das österreichische Magazin Freilich. Auch der JUNGEN FREIHEIT liegt das Dokument vor.

Demnach liefere das Bundesamt für Verfassungsschutz „belastbare Nachweise“, die für ein Verbotsverfahren gegen die Partei sprechen würden – auch wenn die Einschätzungen der Behörde keine rechtlich bindende Kraft besitzen. „Mit der Einstufung der AfD als Verdachtsfall ist das Bundesamt seiner Aufgabe (…) nachgekommen“, urteilen die Autoren.

Zusätzlich beziehen sich die Verfasser auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem zweiten NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2017. Das Gericht urteilte damals gegen ein Verbot der Partei, da sie nicht die erforderliche „Potentialität“ aufweise. Anders gesagt: Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sei aber zu klein und zu unbedeutend, um diese durchzusetzen.

Gutachter: Treutler ist Beweis für Verfassungsfeindlichkeit

Die Gutachtenersteller ziehen aus diesem Urteil den Schluß, daß wenn einer Partei fehlende Machtoptionen mildernd ausgelegt werden, müsse dies umgekehrt bedeuten, daß die Verbotshürden bei einer mächtigeren und einflußreicheren Partei gesenkt werden müßten. Da die AfD aufgrund „breiten gesellschaftlichen Zuspruchs“ höhere Erfolgsaussichten habe, ihre angeblich „verfassungswidrigen Bestrebungen“ umzusetzen, sei sie auch leichter zu verbieten.

Als Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei benennen die Autoren unter anderem zwei Punkte: So nehme die AfD eine „Differenzierung nach kulturellen Merkmalen oder eine rassische Hierarchisierung, die über die Zugehörigkeit zur ‘deutschen Gesellschaft’“ entscheide. Jede Klassifikation, der zufolge ein Volk oder eine Nation eine „‘tiefere’ kulturelle oder biologische Substanz“ habe, sei verfassungsfeindlich. Zulässig sei nach deutschem Grundgesetz ausschließlich die Unterscheidung unterschiedlicher Staatsbürgerschaften.

In dem Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten ist zu lesen, daß die AfD böse ist, weil sie anerkennt, daß es unterschiedliche Kulturen gibt
Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten / Foto: Freilich

Zweitens betreibe die AfD eine „Delegitimierung demokratischer Prozesse und Akteure“. Als Beispiel wird der ehemalige Thüringer Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) genannt. Treutler und die anderen Fraktionen des Thüringer Landtags hatten sich bei der Konstituierung des Parlaments einen Streit um dessen Geschäfts- und Rechtsordnung geliefert.

Juristen nutzen Hooligan-Metapher

Die Sitzung wurde schließlich unterbrochen. Zwei Tage später entschied das Verfassungsgericht Thüringen, daß die AfD die anderen Fraktionen über eine aktualisierte Tagesordnung abstimmen lassen müsse – noch vor der Wahl des Landtagspräsidenten. Obwohl die AfD das Urteil akzeptierte, sehen die Gutachtenersteller in dem Streit einen geheimen Plan der Partei, sich „in verfassungswidriger Weise über die Autonomie des Parlaments“ hinwegzusetzen und „die selbst herbeigeführte ‘Dysfunktionalität‘ des Parlamentarismus vorzuführen, mit dem Zweck, die demokratischen Institutionen zu delegitimieren“.

In diesem Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten steht, daß der Thüringer Altersprsident Jürgen Treutler Verfassungsfeind sei, weil er die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags anerkennen wollte
Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten / Foto: Freilich

Da es wahrscheinlich sei, daß die AfD in den kommenden Jahren an Einfluß gewinne, könne sie „ihre verfassungswidrigen Bestrebungen besonders wirkungsvoll verfolgen“. Die Partei verhalte sich wie eine Fußballmannschaft, die mit Baseballschlägern zu einem Turnier erscheine und daher „nicht mit spielerischen Mitteln gestellt werden“ könne, heißt es in dem Text. „Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie. Das führt jegliche politische Auseinandersetzung ad absurdum, einem solchen Verhalten stehen demokratische Parteien faktisch machtlos gegenüber; die Forderung, die AfD politisch zu stellen, kann nicht eingelöst werden, ist insofern unfair.“

Gutachter plädierte für Impfpflicht

Das Dokument endet mit einer Zitatsammlung von AfD-Politikern. Dabei beurteilen die Juristen auch Sätze als „verfassungsfeindlich“, in denen auf die hohe Kriminalitätsrate von Einwanderern hingewiesen oder der Begriff „Großer Austausch“ verwendet wird.

In diesem Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten wird behauptet, daß die AfD verfassungsfeindlich sei, weil ihre Politiker anerkennen, daß Migranten überdurchschnittlich viele Straftaten begehen
Auszug aus dem dem Rechtswissenschaftlichen Gutachten / Foto: Freilich

Insgesamt 17 – bisher weitgehend unbekannte – Rechtswissenschaftler haben das Papier unterzeichnet. Einer davon ist der Direktor des Instituts für Sozial- und Gesundheitsrecht, Stefan Huster. Er ist SPD-Mitglied und aktiv in der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen“. Im Februar 2022 forderte er in einem Artikel in der taz eine allgemeine Impfpflicht. Demnach sei ein Recht auf Impffreiheit nur dann vernünftig, wenn sich ein Ungeimpfter bei einer Covid-Erkrankung „still in den Wald zurückzöge und unbemerkt verstürbe“.

Groh lobte Compact-Verbot

Eine weitere Unterstützerin des Gutachtens, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, Kathrin Groh, bezeichnete das Verbot des Compact-Magazins im Juli 2024 als rechtlich zulässig. Mehr noch: Der „rechtsradikalen Hydra“ sei „ein weiterer Kopf abgeschlagen“ worden.

Knapp einen Monat nach Grohs Beitrag hob das Bundesverwaltungsgericht das Verbot des Magazins wieder auf. Es bestünden erhebliche Zweifel, „ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den Ausgaben des Compact-Magazin für Souveränität’ die Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, daß das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist“, teilten die Richter mit. (lb)

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