Talkshow-Kritik: Talkshow-Kritik Maischbergers Watschenplattler für den Frieden

Der Watschenplattler gehörte ursprünglich nicht zum bayerischen Brauchtum. Dennoch erfreut sich dieser erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Schuhplattler entwickelte Tanz auf einschlägigen Volksfesten großer Beliebtheit. Bei diesem auch Watschentanz genannten Spektakel bereichern in Trachten gekleidete Männer das Schuhplatteln mit angedeuteten Ohrfeigen. Bleibt es nicht dabei, artet das Ganze schon mal in eine zünftige Wirtshausschlägerei aus.

Soweit kam es bei Maischberger (ARD) im Streitgespräch zwischen Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Oskar Lafontaine (BSW) zum Thema deutsche Waffenlieferungen für Israel und die Ukraine nicht. Zumindest nicht ganz.

Rhetorische fast-Wirtshausschlägerei in der ARD

Ums Hauen ging es aber schon gleich zu Beginn. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter war am vergangenen Wochenende an einem Wahlkampfstand in Aalen (Baden-Württemberg) von einem Wirt als „Kriegstreiber“ beschimpft und zu Boden geschlagen worden.

Agnes Strack-Zimmermann stellte dies bei Maischberger in den Kontext eines Wahlkampfauftritts von Oskar Lafontaine, bei dem dieser kürzlich gefordert hatte, Kiesewetter „ins Gefängnis“ zu stecken. „Erst die Worte, dann die Taten. Das hat Auswirkungen, ich hoffe, daß sie das auch reflektieren, was das für Wirkung hat, wenn sie sprechen“, griff die FDP-Frau Lafontaine an.

„Das ist die reine Wahrheit, jetzt lügen sie hier nicht“

„Ich habe gesagt, Leute, die einen Angriffskrieg vorbereiten oder dazu auffordern, das steht im Grundgesetz, die machen sich strafbar und in diesem Kontext habe ich das gesagt“, bestätigte Lafontaine das Zitat. Und er wolle „den Hintergrund“ erklären. Der Kiesewetter sage, „wir müssen den Krieg nach Moskau tragen. Er sagt, wir müssen Raketen liefern, damit Ministerien in Moskau zerstört werden“, führte Lafontaine aus.

„Das ist für mich verrückt, das ist heller Wahnsinn“, fügte Lafontaine hinzu. Das setze „die Welt in Brand“. Tatsächlich hatte Kiesewetter in diesem Zusammenhang von russischen „Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsständen“ gesprochen, die angegriffen werden sollten. Strack-Zimmermann aber bestritt diese Aussage Kiesewetters. Darauf Lafontaine: „Das ist die reine Wahrheit, jetzt lügen sie hier nicht“, fuhr er die FDP-Frau an.

Die Moderation zieht sich auf die Seitenlinie zurück

Schon an dieser Stelle hätte eine um Sachlichkeit bemühte Moderation darauf hinweisen können, daß Waffenlieferung zum Angriff auf militärische Ziele eines Aggressors durchaus vom Völkerrecht gedeckt sein können, also mitnichten als „Angriffskrieg laut Grundgesetz“ (Lafontaine) zu qualifizieren sind. Aber Maischberger beließ es bei der sanften Abmahnung von Lafontaines „Lügen“-Vorwurf.

So ging es weiter reichlich rüde zu zwischen den beiden Kontrahenten. Kein neuer Gedanke war zu hören, stattdessen mit persönlichen Angriffen gespickte Wiederholung hinlänglich bekannter Positionen. Immer getreu dem Motto: „Warum über die Sache reden, wenn`s auch persönlich geht“. Und da, wo es zur faktenwidrig zur Sache ging, hielt sich die Moderatorin an der Seitenlinie.

Fakten fallen dem argumentativen Gemetzel zum Opfer

Etwa wenn Lafontaine im Zusammenhang mit der deutschen Waffenhilfe für die Ukraine gegen Strack-Zimmermann keilte: „Sie leben Ihnen dem wirklichen Wahn, sie könnten eine Atommacht besiegen.“ Strack-Zimmermann hielt dagegen: „Aus der Stärke heraus hat die Ukraine eine Chance zu überleben, aus der Schwäche wird sie in den Staub getreten.“

Hier hätte – bei allen Vorbehalten gegenüber solchen Vergleichen – zumindest der Hinweis helfen können, daß sowohl die damalige Sowjetunion in Afghanistan als auch die USA in Vietnam – als Atommächte – letztlich besiegt wurden. Doch Maischberger versuchte erst gar nicht erst, eine Ordnung der Fakten in das Gemetzel zu bringen.

Mauern, Abstreiten, Niedermachen

Putin kämpfe gegen „unsere Freiheit, unsere Werte“, beharrte Strack-Zimmermann. Und in Anspielung auf die von vielen vielkritisierte Nähe des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zur Kreml-Lesart: „Wie werden nicht Marionetten Moskaus sein“.

An einer Stelle geriet Lafontaine sichtlich ins Rutschen. Es ging um die Meldung der Zeit, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wolle mit Kremlchef Wladimir Putin telefonieren, um die Chancen für eine Eindämmung des Konflikts auszuloten. Putins Sprecher Dmitri Peskow konterte prompt: „Auf den ersten Blick gibt es keine gemeinsamen Themen (für ein Gespräch)“. Welche Verhandlungen Lafontaine angesichts solcher Reaktionen aus dem Kreml denn führen wolle, fragte Strack-Zimmermann.

Erst wollte Lafontaine von dieser Ankündigung eines Kanzler-Telefonats im Kreml nichts mitbekommen haben, dann bestritt er sie, dann hielt er diese Aussage des Kremlsprechers für „dumm“, wenn sie denn so gefallen sein sollte. Eine inhaltliche Antwort blieb Lafontaine schuldig.

Körpersprache nahe am Handgemenge

Von einem Dialog konnte auch körpersprachlich von Anfang an keine Rede sein. Immer wieder wandten sich die beiden Streithähne nicht einander, sondern der Moderatorin zu, sprachen sie und nicht ihr Gegenüber an. „Ich bin ja froh, daß er nicht gesagt hat, ich gehöre ins Gefängnis. Vielen Dank, Herr Lafontaine! Die FDP gibt es schon ganz lange. Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird bald Geschichte sein“, sagte Strack-Zimmermann gegen Ende.

„So, jetzt haben sie sich wortreich ausgetauscht, ich freue mich auf die nächste Debatte“, schloß Maischberger die Schlacht. Wie es im anstehenden Bundestagswahlkampf da wohl mit der Freude weitergeht? Die Geschichte des Watschenplattlers – und wie es mit ihm weiterging – mag uns zumindest eine Ahnung davon geben, was da auf uns zukommt.

Wird aus Maischberger bald ein Ohrfeigenwettbewerb?

In der Neuen Welt, wo ja so vieles aus der alten übernommen und erst zur vollen Blüte gebracht wurde, hat sich der Watschenplattler zu einer beliebten Sportart entwickelt. Dort nennt man das jetzt „Top 10 Power Slap Knockouts Competition“ (dt. Ohrfeigen-k.o.-Wettbewerb).

Erwachsene Männer – und natürlich auch Frauen – schlagen sich dabei gegenseitig mit der flachen Hand so lange ins Gesicht, bis einer umfällt und nicht mehr aufsteht. Insofern kann man froh sein, daß Agnes Strack-Zimmermann und Oskar Lafontaine bis zum Ende ihres bemerkenswerten Aufeinandertreffens bei Maischberger sitzen geblieben sind. Noch.

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