Kopf an Kopf: Aktuelle Zahlen aus dem Wahlkampf lassen ein knappes Endergebnis vermuten, wenn die Vereinigten Staaten am 5. November einen neuen Präsidenten wählen. Beide Kontrahenten liegen in etwa gleich auf. Entscheidend werden jedoch nicht nur die Swing States sein, sondern auch der mediale Wahlkampfendspurt. Millionenfach laufen auch dieses Mal wie üblich die Wahlkampfclips der Kandidaten auf den Fernsehsendern.
Kurze, meist 30sekündige Clips, die einprägsam sind, nicht selten aber auch überzogen wirken: bedrohend, lobend oder verächtlichmachend. Auf den YouTube-Kanälen der Kandidaten sind sie mit ebenso aussagekräftigen Titeln versehen: „Harris‘ Liberal Ideas Get People Killed“ („Harris‘ liberale Ideen bringen Menschen um“), „Unbelievable“ („Unglaublich“) oder „Saved My Life“ („Rettete mein Leben“). An den Titeln lassen sich auch die Schwerpunktthemen des Wahlkampfes ablesen. Die Republikaner versuchen vor allem, wirtschaftliche Themen in den Fokus zu stellen, ebenso wie Migration. Auf demokratischer Seite setzt man auf Gesundheitspolitik und Sicherheit.
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Persönliche Angriffe spielen eine zentrale Rolle
Allerdings nicht nur, es wird auch persönlich. Erinnern wir uns zurück: Harris‘ Ausgangssituation war denkbar schlecht. Der Wahlkampf lief bereits und die Umfragewerte für die Demokraten und deren vergreisten Kandidaten Joe Biden versackten im Umfragekeller. Die Vizepräsidentin, die in den vergangenen Jahren nicht sonderlich durch eigene politische Erfolge glänzen konnte, versuchte also, ihren Gegenspieler Donald Trump auf der persönlichen Ebene anzugreifen und den 78jährigen mit einer Schmutzkampagne zu überziehen.
Ein Video, das erst vergangene Woche von Harris verbreitet wurde, soll suggerieren, der Ex-Präsident gefährde die Sicherheit der Vereinigten Staaten dadurch, daß er einen dritten Weltkrieg riskiere oder sogar aktiv beginnen wolle. Den Präsidenten als Gefahr zu beschreiben, ist häufiges Motiv der Clips. In einem davon, der bereits mit „Enemy Within“ („Der Feind im Innern“) betitelt wurde, sieht man Trump bei Wahlkampfauftritten, aus dem Hintergrund schallt es „Fascist“ („Faschist“) und gegen Ende des Videos: „If we elect Trump again, we are in terrible danger“ („Wenn wir Trump noch einmal wählen, sind wir in schrecklicher Gefahr“). Das Bild ist dabei nicht selten verzerrt, die Musik düster.
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Nicht jedes der Videos muß allerdings bedrohlich wirken: Trump veröffentlichte vor vier Wochen einen Clip namens „Que Mala Harris“. Darauf sieht man den Ex-Präsidenten tanzend zu Latino-Musik, dazu die typischen Armbewegungen. „Que Mala“ bedeutet auf Spanisch so viel wie „schlecht“ oder „böse“ und soll die Demokratin verunglimpfen, ohne daß auf die Musik oder den Ausspruch noch weitere Inhalte folgen würden. Im Duell scheint bei beiden zu gelten: Stumpf ist Trumpf!
Was Harris und Trump unter Freiheit verstehen
Neben den persönlichen Beschuldigungen spielt Freiheit eine wichtige Rolle im Spot-Wahlkampf – jedoch mit unterschiedlicher Bedeutung. Während es für Harris, die einen ihrer Hauptspots sogar von Beyoncés Powersong „Freedom“ untermalen ließ, besonders freiheitlich ist, mit Leichtigkeit ungeborenes Leben im Mutterleib beenden zu dürfen und Waffen zu verbieten, findet sie in Donald Trump einen scharfen Widersacher dieser Position. Für ihn geht der Freiheitsbegriff einher mit der Sicherheit geschlossener Grenzen, dem Recht auf Selbstverteidigung durch Schußwaffen und geringen Steuersätzen für die gesamte Bevölkerung.
Daß beide Präsidentschaftskandidaten versuchen, „Freedom“ für sich zu nutzen, ist nicht neu oder ungewöhnlich. Interessanter ist, wie beide versuchen, die Auslegungen des Gegners als schwach, unamerikanisch oder sogar staatsgefährdend darzustellen. Alle Eigenschaften, die die Kandidaten auf sich selbst vereinen, zeichnen hingegen angeblich das wahre, patriotische Amerika aus.
Seit einigen Wochen weht abseits dieses selbstdarstellerischen Hahnenkampfes zumindest thematisch ein etwas frischerer Wind. Wie eine Analyse von CNN ergab, haben die Lager ihren Schwerpunkt im Bereich TV-Werbung noch einmal angepaßt. Während Harris als ehemalige Generalstaatsanwältin von Kalifornien innerhalb ihres ersten Nominierungsmonats August vor allem darauf erpicht war, sich als Law-and-Order-Politikerin zu inszenieren und Kriminalität in den Vordergrund zu stellen, wurde im September das Thema Abtreibung zum wichtigeren Thema. Trump, der ursprünglich das Augenmerk auf die Bereiche Kriminalität und Einwanderung gelegt hatte, investierte nun noch stärker in Wirtschaftsinhalte.
Trump bekommt Unterstützung von seiner Frau
Die Kandidaten kämpfen in ihren Inhalten nicht allein. Jüngst etwa brachte Trump seine Frau Melania wieder in Stellung: Die ehemalige und womöglich zukünftige First Lady sah man in der Vergangenheit vor allem dann, wenn sie ihren Mann aus dem Schußfeld nehmen sollte – so auch dieses Mal. Nachdem Anfang Oktober passenderweise ihr neues Buch „Melania“ am Markt erschienen war, besuchte sie nicht nur eine Talkrunde bei Fox News, man sah sie später auch noch einmal auf dem YouTube-Kanal des Ex-Präsidenten.
Der Tenor der Gespräche wie immer: Die Demokraten beschmutzen ihn zu Unrecht, Trumps Zeit im Weißen Haus beflügelte das Land. Auch seine persönlichen Vorzüge betont Melania gerne: „His humour, his personality, his kindness“ („Sein Humor, seine Persönlichkeit, seine Güte“), heißt es bei Fox.
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Der respektvolle Umgang bleibt auf der Strecke
Ähnlich rührend geht es auch bei Harris zu, in diesem Fall jedoch mit Unterstützung der Obamas. Nach ihrer Nominierung sah man sie telefonierend, aus dem Hintergrund gratulierte Ex-Präsident Barack: „Michelle and I couldn´t be prouder to endorse you and to do everything we can to get you through this election and into the oval office“ („Michelle und ich könnten nicht stolzer darauf sein, dich zu unterstützen und alles zu tun, was wir können, um dich durch diese Wahl und ins Oval Office zu bringen“).
Die Worte der Obamas und ihre jahrelange Freundschaft bedeuteten ihr mehr, als sie ausdrücken könne, antwortet Harris in dem Video. Daß die Obamas, Melania oder vielleicht sogar Promis wie Taylor Swift in den nächsten Wochen noch einmal öffentlich in Szene gesetzt werden, ist wahrscheinlich.
Denn: Wer heute noch vorne liegt, kann schon morgen in den Umfragen zurückliegen. Um das zu verhindern, sind beide Parteien bis ans Äußerste gegangen – immer im Angriffsmodus und ohne viel Rücksicht auf die Wahl der Worte. Wer sich zeitweise an die Vorbereitungsphase eines Boxkampfes erinnert fühlte, hat am Ende wohl nur noch den finalen Schlagabtausch im Ring vermißt. Fahnen, Musik und persönliche Angriffe gab es schließlich schon. Doch egal, ob sich die beiden Kontrahenten bis November tatsächlich noch direkt gegenüberstehen, einen Verlierer gibt es schon jetzt – den fairen, respektvollen Umgang in einem demokratischen Wahlkampf.
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Quellenlink : Schmutzkampagnen und Show: Schmutzkampagnen und Show Die Werbung im US-Wahlkampf geht oft bis an die Grenzen