RKI-Protokolle: RKI-Protokolle Corona: Wie ein haltloser Inzidenzwert die Deutschen knechtete

BERLIN. Wie jetzt aus den ungeschwärzten RKI-Protokollen hervorgeht, hatte auch der in der Corona-Zeit alles bestimmende Inzidenzwert keine wissenschaftliche Basis. Am 5. Mai 2020, einen Tag nach dem Ende des ersten, sieben Wochen andauernden Corona-Lockdowns, wollte die von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geführte Bundesregierung Deutschland sofort wieder lahmlegen.

Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verlangten vom RKI-Expertenrat, einen Grenzwert festzulegen, der sofort zu „harten Maßnahmen“ führt. Sie dachten sich dafür den Inzidenzwert aus. Dieser sollte, so die Vorstellungen der Politiker, bei 35 Corona-Infektionen auf 100.000 Einwohner liegen. Hieß: Sobald 0,035 Prozent der Bevölkerung positiv getestet werden, treten scharfe Grundrechtseinschränkungen in Kraft.

Inzidenzwert „aus fachlicher Sicht abgelehnt“

Wie aus den jetzt entschwärzten Sitzungsprotokollen hervorgeht, über die die Welt berichtet, hielten die Wissenschaftler die Idee aus der Bundesregierung für „wenig zielführend“. Daher wollten sie die Forderung zunächst gar nicht diskutieren, sie wurde „aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt“. Für flächendeckende Maßnahmen sei das Infektionsgeschehen etwa in den Landkreisen oder auch den Altersheimen zu unterschiedlich.

Doch dann kam alles anders. Die angeblich unabhängigen Wissenschaftler fragten sich, welche Folgen es habe, wenn das RKI bei der wissenschaftlichen Wahrheit bliebe, das politische Verlangen also ablehne. Sie entschieden sich mitzumachen. Die Regierung präsentierte dann einen Inzidenzwert von 50, den das RKI ebenfalls ablehnte, der politisch aber durchgesetzt wurde. Er sollte für die weiteren knapp drei Jahre die Corona-Politik bestimmen.

RKI-Wissenschaftler haben Angst vor Widerspruch

„Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach“, so heißt es im Protokoll, würden Konsequenzen drohen. Es bestehe das Risiko, daß die Politik „selbst Indikatoren entwickeln“ oder „das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbinden“ werde. Damit waren die RKI-Experten politisch gleichgeschaltet und sollten es bis zum Ende aller Corona-Maßnahmen nach mehr als drei Jahren am 7. April 2023 auch bleiben.

So duldeten sie auch den zweiten Lockdown, der am 2. November 2020 als „Light“-Version begann, dann von Merkel und den Ministerpräsidenten sechs Wochen später zum harten Lockdown umgewandelt wurde und erst im Mai 2021, nach einem halben Jahr, endete. In dieser Zeit durften die Deutschen weder wie gewohnt Weihnachten noch Silvester feiern. Gegenseitige Besuche, Veranstaltungen und das Einkaufen mit Ausnahme von Lebensmitteln waren strikt verboten.

Corona-Maßnahmen nicht wissenschaftlich basiert

Das Protokoll macht deutlich, daß die Maßnahmen anders als behauptet, eben nicht auf wissenschaftlicher Grundlage beschlossen wurde. Epidemiologe Klaus Stöhr kommentierte die Enthüllung so: „Offensichtlich traute man sich im RKI nicht, dem politischen Druck fachlich zu begegnen.“ Stöhr sagte der Welt: „Soviel zum ,Follow the science‘ der Politik.“

Virologe Alexander Kekulé, der damals als einer der wenigen Kritik übte, seine Professur in Halle und sein Beamtenverhältnis verlor, wird ebenfalls deutlich: „Die Politik hat sich in Hinterzimmern den vertraulichen Rat einzelner ,Experten‘ geholt und dann Kraft Wassersuppe entschieden.“ Die Inzidenz von 50 sei „die Kombination der Daumenpeilung von Politikern, ungenannten Beratern und einem politischen Tauziehen zwischen den Staatskanzleien“ gewesen: „Eine wissenschaftliche Begründung gab es nicht.“

Gegen eine Aufarbeitung der Abschaffung der Grundrechte in der Corona-Zeit wehren sich die verantwortlichen Politiker bis heute. Daß sie entgegen den Ratschlägen der Wissenschaft gehandelt haben, steht nach der Veröffentlichung der Protokolle jedoch fest. (fh)

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