Rief die Miliz doch zu Anschlägen auf? Hatte der Mörder von Samuel Paty Kontakt zur Islamistenmiliz HTS?

Anzeige

Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Ganz Europa blickt nach Syrien. Innerhalb kürzester Zeit stürzt die syrische islamistische Miliz Hayat Tahrir al-Scham (HTS) die Regierung des Diktators Baschar al-Assad. Derzeit hält die Gruppe, gemeinsam mit anderen Rebellenmilizen, einen Großteil Syriens unter ihrer Kontrolle. Ihr Anführer Abu Muhammad al-Dschaulani gibt sich in Interviews geläutert. Auch wenn seine Organisation eine Herrschaft nach islamischem Recht anstrebe, wolle er andere Konfessionen tolerieren. Auch Anschläge gegen den Westen, so betonte es al-Dschaulani bereits 2015, sollen der Vergangenheit angehören.

Die HTS startete einst als Ableger des Terror-Netzwerks Al-Kaida und nannte sich al-Nusra-Front. Im Jahr 2017 schloß sie sich mit anderen Gruppen zur HTS zusammen. Mit dem radikaleren Ex-Al-Kaida-Ableger Islamischer Staat verband die Miliz eine erbitterte Feindschaft. Vom US-Außenministerium wird die HTS noch immer als Terrororganisation eingestuft. Auf den Kopf von al-Dschaulani ist zudem ein Kopfgeld von zehn Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Doch wie geläutert ist die HTS tatsächlich? Berichte der französischen Tageszeitungen Libération und Le Parisien aus den Jahren 2020 und 2021 lassen Zweifel an den Beteuerungen aufkommen. Demnach hat die Organisation mutmaßlich zu einem Terroranschlag vom Oktober 2020 im Großraum Paris beigetragen. Damals enthauptete ein 18jähriger tschetschenischer Islamist namens Abdullakh A. den Lehrer Samuel Paty – weil dieser die Mohammed-Karikaturen der Zeitung Charlie Hebdo im Unterricht gezeigt hatte.

„Ich habe den Lehrer geköpft“

Abdullakh A. soll zuvor Kontakt zu einem Kämpfer der HTS gehabt haben. Ermittler fanden Nachrichten, in denen A. den Milizionär über den Mord informierte und ihm ein Foto des enthaupteten Lehrers zuschickte.

Am 16. Oktober, dem Tattag, verschickte A. eine Sprachnachricht an das Instagram-Konto eines tadschikischen Mitglieds der HTS. „Ich habe den Lehrer geköpft, jetzt werde ich in Frankreich in den Dschihad ziehen“, soll A. darauf gesagt haben. Dazu sandte er ein Foto von Patys leblosem Körper. Der Kämpfer aus Syrien antwortete ihm: „Allahu Akbar! Allahs Friede, Barmherzigkeit und Segen seien mit dir!“ Doch A. kam nicht mehr dazu, die Antwort zu lesen – wenige Minuten nach dem Verbrechen erschossen ihn französische Polizisten.

HTS-Kämpfer kontaktiert französische Jugendliche

Bei der Kontaktperson soll es sich um einen Dschihadisten namens Faruq S. gehandelt haben. Nach Aussage der französischen Anti-Terror Kriminalbehörde SDAT soll er innerhalb der HTS eine „Rolle im Mediendschihad und in der Propaganda von Hayat Tahrir al-Scham“ eingenommen haben.

S. soll sich auch mit anderen Jugendlichen in Frankreich ausgetauscht haben. Über verschiedene Instagram-Konten gab er ihnen Ratschläge zu den Themen Religion und Dschihad. Das vom Paty-Mörder kontaktierte Konto „Dnevnik_71“, war einen Monat vor der Tat mit einer rumänischen Telefonnummer eingerichtet worden. IP-Daten führten jedoch in die syrische Stadt Idlib.

Im September 2020 hatte S. ein Video veröffentlicht, in dem er den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow dazu aufforderte, „Brüder nach Frankreich zu schicken“ – anläßlich der Wiederveröffentlichung der Mohammed-Karikaturen durch die Zeitung Charlie Hebdo.

Mörder stellt Fragen zu Märtyrertod

In den Fokus geriet 2020 auch ein Freund des Paty-Mörders. Der damals 18jährige Ismail G. hatte über soziale Netzwerke sowohl mit A. als auch mit S. Kontakt gehabt. Der Polizei erklärte er, daß er und der Paty-Attentäter eigenständig Verbindung zum HTS-Propagandisten aufgebaut hätten. Sie seien bei Recherchen über die syrische Gruppe auf das Instagram-Konto gestoßen und hätten ihn daraufhin kontaktiert. Insbesondere S. sei von der HTS fasziniert gewesen.

„Ich dachte zuerst, er sei ein Journalist, aber auf seinen Fotos trug er Uniform und Waffen“, erklärte der Komplize des Mörders den Ermittlern. Faruq S., der russisch sprach, habe ihnen erklärt, daß sie nach Syrien auswandern sollten – aber nur, wenn sie „einen guten Glauben“ hätten. Der spätere Attentäter habe häufig Kontakt zu S. gehabt.

Auch zu einem weiteren Kämpfer der Miliz soll A. Austausch gepflegt haben. Einen Monat vor seiner Tat erkundigte sich der 18jährige laut FBI bei dem Dschihadisten nach der religiösen Zulässigkeit eines Märtyrertodes. Der Jugendliche soll Sorge gehabt haben, daß sein Tod als Suizid angesehen werden könnte. „Viele Scheichs und Gelehrte erlauben es“, antwortete der in Syrien kämpfende Milizionär.

Quellenlink : Rief die Miliz doch zu Anschlägen auf? Hatte der Mörder von Samuel Paty Kontakt zur Islamistenmiliz HTS?