Man stelle sich vor: An den Universitäten demonstrierten Studenten unter der Flagge etwa der Identitären Bewegung für ein Ende des Staates Israel, da dieser von jüdischen Kolonisten erschaffen worden sei. Eine andere Meinung würde nicht zugelassen und auch mit Mitteln körperlicher Gewalt unterdrückt. Die Studentenvertretungen dieser Republik wären dominiert von konservativ-patriotischen Gruppen, die Gewalt gegen Sachen und vereinzelte Personen gutheißen würden. Rederecht würde quotiert nach Hautfarbe und der als korrekt empfundenen sexuellen Orientierung vergeben. Dozenten würden Studenten, die linke Inhalte vertreten, mit Konsequenzen seitens der administrativen Ebene drohen. Und natürlich: Wer gendert, fällt durch!
Dieser Zustand wäre ein Armutszeugnis für jede höhere Bildungsinstitution eines demokratisch verfaßten Gemeinwesens. Und doch ist er Realität – mit der Tendenz zur weiteren Radikalisierung. Nur ist es eben nicht die Rechte, sondern die woke Linke, die den vor über fünfzig Jahren begonnenen Marsch durch die Institutionen erfolgreich vollendet und sich die Universitäten zur Beute gemacht hat. Den aktuellen Zustand beschreibt die 1998 geborene Franca Bauernfeind in ihrem neuen Buch „Black Box Uni: Biotop linker Ideologien“. Als Mitglied des RCDS war sie von Beginn an als rechts markiert in einem Umfeld, das solcher Positionierung als moralisch verwerflich den Kampf ansagte.
Detaillierte Berichte einer RCDS-Funktionärin
Mit Franca Bauernfeind berichtet keine Allerweltsstudentin aus dem Zentrum des identitätspolitischen Kulturkampfes, zu dessen Haupttreiber die Universitäten degeneriert sind. 2016 begann sie das Studium der Staatswissenschaft in Erfurt. Bereits im folgenden Jahr wurde sie Landesvorsitzende des RCDS in Thüringen, 2019 Bundesvorsitzende des Verbandes und zudem Mitarbeiterin des CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Hirte. Da der RCDS als Sonderorganisation der CDU anerkannt und in die Parteistruktur integriert ist, liegt die Vermutung nahe, daß Bauernfeind von früh an eine Karriere als Berufspolitikerin auf dem Ticket „jung, weiblich, konservativ“ plante.
Bauernfeind berichtet detailliert von ihren persönlichen und hochschulpolitischen Erfahrungen, die stellvertretend für viele stehen, die noch den Mut haben, sich an den Universitäten außerhalb des woken hegemonial gewordenen Mainstreams zu positionieren. Gleich in ihrem ersten Hochschulwahlkampf in Erfurt wurde sie als „Nazi-Schlampe“ beschimpft, und eine Freundin schrieb ihr über die sozialen Netzwerke ein deutliches „Halt die Fresse, Franca“, da sie die Meinung vertrat, Deutschland sei eben kein Patriarchat, in dem eine Frauenquote vonnöten sei.
Studenten-Selbstverwaltung an den Universitäten mißbraucht
Die titelgebende Metapher der Universität als „Black Box“ bezieht sich vor allem auf die studentische Selbstverwaltung und die damit verbundenen Finanzierungsmodelle, die regelmäßig, so Bauernfeind, zur Unterstützung linksextremer Aktivitäten mißbraucht würden. Konkret erwähnt sie vom AStA organisierte Busfahrten nach Hamburg zum G20-Gipfel 2017, auf dem es zu koordinierten Gewaltattacken auf Polizisten und die Zivilbevölkerung kam.
Zudem berichtet sie von einer erschreckenden Selbstbedienungsmentalität, die unter dem Deckmantel der studentischen Selbstverwaltung bestens gedeihe. Die monatlichen Aufwandsentschädigungen für Mitglieder des Studentenrates oder Mitarbeiter der zeitgeistigen Referate „Antidiskriminierung“ oder „Queer-Politik“ würden vom AStA nach politischer Gesinnung vergeben. Verwaltung und Politik nähmen dieses Gebaren hin, da es der eigene politische Nachwuchs sei, der die Gelder an dieser Stelle veruntreue.
Den Kern des Buches bildet das Kapitel „‘Das muß an die Öffentlichkeit!‘ – Eine Fallsammlung“. Hier geht es vor allem um die Etablierung der Gendersprache als sichtbarstes Zeichen der identitätspolitischen Umerziehungsagenda. Bauernfeind untersucht die „Genderleitfäden“ verschiedener Universitäten, deren autoritärer Duktus die Mär von der angeblichen Freiwilligkeit des Gebrauchs der diversen Sonderzeichen als Illusion entlarvt. So zitiert sie eine Professorin der Universität Leipzig wie folgt: „Verfassen Sie ihre Arbeit in Inklusiver Sprache. Es sollten unterschiedliche Autor*innen und Leser*innen usw. darin vorkommen, nicht nur weiße Männer. (…) Achtung: Frauen und non-binäre Personen ‘mitzumeinen’ ist nicht inklusiv!“ Und der Genderleitfaden der theologischen Fakultät der Universität Tübingen verlangt allen Ernstes, anstatt Gott die Bezeichnung „Gott*in“ zu verwenden.
Es gelte, Konstrukte wider die Natur zu „dekonstruieren“
Wie konnte diese absurde, aber brandgefährliche Ideologie, deren Hauptkampfplatz die Sprache ist, in den Bildungsinstitutionen des Westens hegemonial werden? Die simple Antwort lautet: Sie kommt aus den Universitäten. Ausgehend von Simon de Beauvoir und Judith Butler entstand seit den fünfziger Jahren die Idee, die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ seien diskursive, also sprachlich erfundene Konstrukte zur Festigung des Patriarchats und der damit verbundenen Unterdrückung der Frau. Diese Konstrukte gelte es nun in allen Bereichen der Gesellschaft zu dekonstruieren.
Ein erstes Opfer dieser Entwicklung war die klassische Geschlechterforschung, die ganz selbstverständlich von der natürlichen Unterscheidung von Mann und Frau ausging, um davon ausgehend für Frauenrechte zu kämpfen. Diese Binarität jedoch, so die Argumentation der woken Kulturkrieger, bilde das Fundament der Unterdrückung von Minderheiten jedweder Couleur und müsse aufgebrochen werden.
Deshalb stehen mittlerweile klassische Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer oder auch J.K. Rowling auf der Abschußliste, da sie in der Transideologie einen Angriff auf die hart erkämpfte Gleichberechtigung von Mann und Frau sehen. Denn wofür lohnt es sich zu kämpfen, wenn das natürliche Geschlecht keine biologische Kategorie mehr bildet, sondern performativ per Sprachakt von jedem selbst gewählt werden kann?
Keine neuen Erkenntnisse, aber dennoch lesenswert
Dieses Denken widerspricht der Evolutionsbiologie und dem natürlichen Instinkt des Menschen. Deshalb muß die Sprache in diesem Sinne umgestaltet werden, denn die Kontrolle über Sprache war schon immer ein beliebtes Mittel zur Implementierung totalitärer Ideologien. Deshalb ist es so gefährlich, daß die Universitäten kein Ort der freien Debatte und des ergebnisoffenen Austauschs von Argumenten mehr sind, sondern die Freiheit des Denkens unter Ideologievorbehalt steht, denn hier werden die Meinungsmultiplikatoren der Zukunft ausgebildet: Journalisten, Lehrer, Kulturschaffende.
Es ist dieser Prozeß der universitären Selbstradikalisierung, der Franca Bauernfeinds Erfahrungsbericht zugrundeliegt. Und sie ist nicht allein. Jüngst berichtete die Ethnologin Susanne Schröter in ihrem Buch „Der woke Kulturkampf“ ähnliches aus der Perspektive einer gestandenen Professorin. Aus journalistischer Sicht war es Birk Meinhardt, der 2020 in „Wie ich meine Zeitung verlor“ den zunehmenden Gesinnungsdruck am Beispiel der Süddeutschen Zeitung, für die er bis 2012 tätig war, beschrieb. Bauernfeind enthüllt daher nichts wirklich Neues, weshalb die Metapher der „Black Box“ übertrieben ist.
Dennoch ist ihr Buch lesenswert: Es erinnert uns daran, daß Feigheit keine Ausrede im Kampf um Meinungsfreiheit und eine freie Debattenkultur sein darf. Zwar ist es ein Armutszeugnis für unser Land, daß es wieder Mut braucht, um zu vorgegeben erscheinenden, aber eigentlich kontroversen Themen wie Klima, Migration oder Gender Stellung zu beziehen. Aber eine Demokratie ohne mutige Bürger ist dem Untergang geweiht. Bauernfeind appelliert an uns, diesen Mut zu haben und den Kampf zu führen, bevor es endgültig zu spät ist.
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Quellenlink : Rezension: Rezension Universitäten stehen im Zentrum des Kulturkampfes