Redefreiheit im Internet: Redefreiheit im Internet Legale Meinungen am Pranger? Scharfe Kritik an neuen Meldestellen

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller (Grüne), gibt sich beschwichtigend und verteidigt seine Behörde. Sie entferne keine Inhalte von den sozialen Medien. „Plattformen und Dienste behandeln gemeldete Inhalte auf Grundlage der geltenden Gesetze und ihrer Nutzungsbedingungen.“ Die letztliche Entscheidung, ob ein Beitrag gelöscht wird oder nicht, liege „wie eh und je bei den Gerichten“, schreibt Müller auf X. Auch an anderer Stelle betont der Grüne, es gehe nicht darum, Meinungsäußerungen zu zensieren.

Das sehen viele Bürger anders, darunter der Zeit-Journalist Jochen Bittner. Der zitiert Müller mit seinen eigenen Worten, als er die Meldestelle „REspect“ Anfang Oktober dieses Jahres als „Trusted Flagger“ („vertrauenswürdige Hinweisgeber“) im Sinne des von der EU-Kommission beschlossenen Digital Services Act vorstellte. „Illegale Inhalte, Haß und Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden“, hatte Müller damals gesagt. Für Bittner ist das „offenkundig verfassungswidrig“. Die Betonung, neben illegalen Inhalten auch „Haß und Fake News“ entfernen zu wollen, bedeute, „daß neben illegalen Inhalten auch legale Inhalte entfernt werden können“, argumentiert Bittner.

Ministerin deutet Zensurpläne an

Doch nicht nur die Worte Müllers lassen daran zweifeln, daß es bei „REspect“ lediglich um die Löschung illegaler Inhalte geht. Finanziert wird „REspect“ unter anderem aus dem Programm „Demokratie Leben!“, das vom Familienministerium, also von der Grünen-Politikerin Lisa Paus, geleitet wird. Paus hatte im Februar dieses Jahres eine Studie zum Phänomen „Haß im Netz“ vorgestellt und dabei betont, sie wolle mit ihrer Arbeit „dem Umstand Rechnung tragen, daß Haß im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt“. Sogenannte „Feinde der Demokratie“ wüßten genau, „was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt“.

Auch „Demokratie Leben!“ – 2023 mit einem Gesamtetat von 182 Millionen Euro ausgestattet – finanziert die Meldestelle „REspect“, zudem zählt die „Initiative Toleranz im Netz“ zu den monetären Unterstützern. Die wiederum wurde 2021 von der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg gegründet. Der selbsternannten Task Force gehört neben dem Landeskriminalamt und mehreren Bildungsinstituten auch der baden-württembergische Verfassungsschutz an.

Der Chef von „REspect“ besuchte fundamentalistische Islamuniversität

Der Leiter von „REspect“ ist Ahmed Haykel Gaafar. Der studierte Islamwissenschaftler gibt sich säkular und gemäßigt. Im März sagt er bei einem Gastvortrag an der Hochschule Biberach: „Antisemitische Verschwörungsmythen sind international verbreitet.“ Dagegen müsse gemeinsam gehandelt werden. Sein Appell an die Zuhörer: „Laßt uns helfen, uns zu beraten und Handlungsmöglichkeiten zu erlernen, jedweden Vorurteilsstrukturen früh entgegenzuwirken.“

Seinen Abschluß in Islamwissenschaften legte Gaafar an der Azhar-Universität in Kairo ab. Michael Barak, Historiker und Terrorismusforscher, beschuldigt gegenüber dem österreichischen Medium „Der Standard“ die ägyptische Bildungseinrichtung der Hamas ideologisch nahe zu stehen. Im vergangenen Jahrzehnt sei die Universität in ihren Lehren immer radikaler geworden. In einer Fatwa – also einem islamischen Rechtsurteil – habe Al-Azhar das Töten israelischer Zivilisten erlaubt. Für Barak ist klar: „Wenn man eine solch wichtige religiöse Institution auf der Seite der Terroristen hat, ist es fast unmöglich, die Hamas zu schlagen.“

„Selbst wenn wir etwas nicht anzeigen können, ist es sehr wichtig“

Der EU- und Medienrechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler reagierte empört auf das Vorhaben der Bundesregierung, das Meldeportal „REspect“ mit so viel Macht über den digitalen Diskurs auszustatten. „Im Staat des Grundgesetzes ist alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Was verboten ist, bestimmen die Gesetze und die Justiz“, schrieb er auf X. Private Organisationen, „die vom Staat mit der Verfolgung von Haß und Hetze beauftragt werden, verstoßen deshalb gegen das Grundgesetz“, ist sich Boehme-Neßler sicher.

Und wie beschreibt „REspect“ die eigene Arbeit? In einem Video rufen zwei Mitglieder dazu auf, möglichst viele Online-Beiträge zu melden, auch legale Meinungsäußerungen. Denn: „Selbst wenn wir etwas nicht anzeigen können, ist es sehr wichtig. Nicht nur für die Statistik, sondern ganz besonders für die Veränderung von Gesetzen.“

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