Prozeßauftakt in WienFür Sebastian Kurz geht es um alles oder nichts

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WIEN. Wegen Falschaussage muß sich der frühere österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seit Mittwoch vor dem Straflandgericht Wien verantworten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat eine 108seitige Anklageschrift vorgelegt. Der 37jährige hält dagegen, er sei unschuldig.

Spricht ihn der Einzelrichter frei, wird Kurz wahrscheinlich ein politisches Comeback starten. Doch dafür müssen wohl erst einmal die Nationalratswahlen im kommenden Jahr für die ÖVP verloren gehen. Danach sieht es im Moment aus. Die Christdemokraten liegen nach aktuellen Umfragen abgeschlagen zehn Punkte hinter der FPÖ. Eine Wahlniederlage könnte Kurz die Chance bieten, sich erneut als charismatischer Retter der Volkspartei anzubieten.

Ex-Parteifreund belastet Kurz schwer

Dafür wäre es aber nötig, daß er nicht verurteilt wird. In dem Prozeß geht es um die Aussagen des damaligen Regierungschefs vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Ibiza-Affäre. Dieser wollte wissen, ob Kurz bei der Besetzung von Führungspositionen in der Österreichischen Beteiligungs-AG (ÖBAG) seine Finger im Spiel hatte. Kurz bestritt das.

Doch später aufgefundene Chatnachrichten sollen das Gegenteil zeigen. Außerdem belastete ihn der damalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid, der durch obszöne Beleidigungen zweifelhafte Bekanntheit erlangte, nachträglich schwer. Wie glaubwürdig der Mann ist, der inzwischen aus der ÖVP ausgeschlossen wurde, ist in Österreich umstritten. Beim Verfahren gegen Kurz tritt er als eine Art Kronzeuge auf.

Das belastende Material und Schmids Aussagen führten im Oktober 2021 zum Rücktritt des Kanzlers. Vor zwei Monaten erhob die Staatsanwaltschaft Anklage und versucht nun vor Gericht zu beweisen, daß der Politiker „wissentlich“ und „vorsätzlich“ im Parlament gelogen habe. Kurz wirft den Staatsanwälten in einer 20seitigen „Gegenäußerung“ eine „bloße Anhäufung von Scheinargumenten“ vor.

Plant Kurz ein Comeback nach den Wahlen?

Der Prozeß ist zunächst auf drei Verhandlungstage angesetzt. Sollte Kurz danach als unbescholten gelten, wären für ihn die Voraussetzungen geschaffen, wieder auf die politische Bühne zurückzukehren. Für die kommende Nationalratswahl im Herbst 2024 gilt dies jedoch als ausgeschlossen – schon deswegen, weil die ÖVP mit Karl Nehammer den aktuellen Kanzler stellt und ihn vor dem Urnengang nicht demontieren wird.

Auch Kurz dürfte kein Interesse haben, bereits jetzt in den Ring zu steigen. Dann würde die sich abzeichnende Niederlage im nächsten Jahr an ihm haften bleiben. Österreichische Beobachter gehen davon aus, daß Kurz die übernächste Wahl anpeilt. Die findet planmäßig 2029 statt. Dann wäre Kurz 43 Jahre alt. (fh)

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