Öko-Fundamentalismus: Öko-Fundamentalismus Klimaschützerin Ulrike Herrmann: Deutschland baut sich ab

Wenn es in dieser aufgeregten Zeit jemanden gibt, der Großes gelassen aussprechen kann und damit sogar durchkommt, dann ist es die taz-Journalistin und Buchautorin Ulrike Herrmann. Es ist faszinierend zuzusehen, wie in Podiumsdiskussionen selbst Arbeitgeberkreise und neoklassische Ökonomen wohlwollend-freundlich den Dialog mit ihr suchen. Dabei fordert die inzwischen 60jährige Wirtschaftskorrespondentin nicht weniger, als den Kapitalismus abzuschaffen und zu einer ökologischen „Kriegswirtschaft nach britischem Weltkriegsvorbild“ überzugehen.

Denn ihre zentrale These ist, daß die nötige CO2-Einsparung der Industrieländer zu massiv sei, um sie durch ein CO2-Preis-gesteuertes „grünes Wachstum“ zu erreichen. Schließlich sei es unmöglich, Wachstum und Ressourcenverbrauch völlig zu entkoppeln. Ungewöhnlich für das haltungsschwangere, linke Milieu, dem sie angehört, ist die zahlenverliebte Sachlichkeit, mit der die gelernte Bankkauffrau, ausgebildete Journalistin sowie studierte Historikerin und Philosophin ihre Standpunkte herleitet. Eine Leidenschaft, die Kanzlergattin Loki Schmidt in ihr geweckt habe, in deren Nachbarschaft in Hamburg-Langenhorn Herrmann als behütetes Mittelstandskind aufgewachsen ist.

Akribisch hat sie etwa nachgerechnet, daß Deutschland sein Konsumniveau mit dem künftig fast einzig erlaubten Wind- und Sonnenstrom nicht im Ansatz wird halten können. Auch grüne Energieimporte oder Atomkraft wären etwa aus Kostengründen keine Lösung. Darum empfiehlt sie in ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind und wie wir in Zukunft leben werden“ (2022) allen Ernstes die Schließung der Flughäfen und Abwicklung der Luftfahrtindustrie. Gleiches gilt für die Auto-, Finanz- oder Werbebranche, die in ihrer Welt des Minuswachstums keinen Platz mehr finden. Zwar solle es weiter Privatbesitz geben, aber der Staat müsse steuern, wieviel Wohnraum jeder belegt und was die verbleibenden Firmen produzieren. Vor allem aber habe er über den CO2-Fußabdruck der Oberschicht zu wachen, weil nur so Akzeptanz für eine solche Austeritätspolitik zu erreichen sei. Damit beansprucht Herrmann als erste Wachstumskritikerin für sich, nicht nur das Ziel, sondern auch den Weg zu beschreiben.

Herrmann wird zur Kronzeugin gegen die Mär vom „grünen Wachstum“.

Das alles ist eine weite Reise für jemanden, der in den achtziger Jahren wegen eines vorbildlichen örtlichen Umweltpolitikers einige Zeit Mitglied der Hamburger CDU war und bis heute den Kapitalismus für seine historischen Verdienste lobt. Und es ist eine Haltung, mit der die Grüne – deren Parteimitgliedschaft seit 2021 ruht, um dem Vorwurf zu begegnen, sie berichte nicht unabhängig – hierzulande zwischen allen Stühlen sitzt. Denn Wahlen lassen sich mit so radikalen Ideen nicht gewinnen. Vor allem aber macht man sich im eigenen Milieu unbeliebt, das sich bereits des Verdachts erwehren muß, mittels Salamitaktik die „Große Transformation“ zu verschleiern.

Laut Ulrike Herrmann wird aber schon der erste wirklich CO2-wirksame staatliche Eingriff den Kapitalismus zum Einsturz bringen. Damit freilich macht sich die frühere Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager zur mit Abstand intellektuellsten Kronzeugin gegen die Regierungsmär vom „grünen Wachstum“.

JF 20/24 

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