Die amerikanischen Ivy-League-Universitäten kommen nicht zur Ruhe. Die Bezeichnung steht für die ältesten acht Elite-Hochschulen der USA, darunter Columbia, Harvard, Princeton, Pennsylvania und Yale. Aufgrund von Sicherheitsbedenken hat die Columbia University in New York ihre für Mitte Mai geplante große Abschlußfeier mit mehreren tausend Studenten abgesagt. Es wird nur kleine, dezentrale Veranstaltungen mit Zeugnisvergabe an die Graduierten geben. Die linksliberale Hochschule steht nach wie vor unter Schock, seit radikale propalästinensische Studenten im April ein Gaza-Protestcamp errichteten und in die historische Hamilton Hall in Manhattan eindrangen und dort randalierten. Die Besetzung wurde dann durch einen Polizeieinsatz beendet.
Seitdem steht Uni-Präsidentin Minouche Shafik scharf in der Kritik einiger linker Professoren, die ihr verübeln, daß sie die Polizei auf den Campus rief. Sie sehen darin einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Auch in Deutschland sind solche Stimmen zu hören nach der schnellen Räumung von Protesten an der FU Berlin. In New York wollen einige Dozenten ein Mißtrauensvotum gegen Shafik abhalten, das aber scheitern dürfte. Republikanische Politiker indes finden, die New Yorker Hochschule habe den linksradikalen Mob viel zu lange gewähren lassen.
Die Eruption und Eskalation der Proteste in den USA, die manche dortige Linke von einem zweiten 1968 träumen ließ, hat ein Schlaglicht auf den Zustand der Ivy-League-Universitäten geworfen, deren sozialwissenschaftliche Fakultäten sich zu Brutstätten linksradikaler postkolonialer Ideologien entwickelt haben. In diesem Sumpf tummeln sich erstaunliche „Wissenschaftler-Aktivisten“, selbsterklärte „Scholar Activists“, die jegliche Grenze zwischen Academia, dem forscherischen Streben nach Erkenntnis und Wissen, und Politaktivismus verwischen. Ihre „Wissenschaft“ ist oft nur ein kleines Feigenblatt.
Hamas-Beführworter geht an Hochschule ein und aus
Columbia hatte beispielsweise in diesem Frühjahr Mohamed Abdou als Gastprofessor ans Middle East Institute berufen, der sich auf der Website der Hochschule als „nordafrikanisch-ägyptischer muslimischer Anarchist und interdisziplinärer Aktivist-Wissenschaftler für indigene, schwarze, rassenkritische und islamische Studien sowie für Gender, Sexualität, Abolitionismus und Dekolonisierung“ bezeichnet. Der Aktivist-Professor, Autor von Büchern wie „Islam & Anarchism“ und „Islam & Queer-Muslims“, unterrichtete an der Columbia in diesem Frühjahr einen Kurs über „Decolonial Queerness and Abolition in Southwest Asia and North Africa“.
Mohamed Abdou speaks from his office on campus @Columbia:
“[Shafik] lied about the fact that I was terminated. I haven’t been terminated…as a matter of fact I’ve taught the last two classes at the Encampment.” 🧐🤔#AntizionismIsAntisemitism
— The Persian Jewess (@persianjewess) May 7, 2024
Diese Personalie fiel der Columbia dann aber auf die Füße, denn Abdou hat sich am 11. Oktober 2023, vier Tage nach dem Hamas-Massaker, in klar Hamas-freundlicher Weise geäußert: „Ja, ich stehe auf seiten des Muqawamah (arabisches Wort für Widerstand, Anm. d. Red.), sei es Hamas und Hizbullah und Islamischer Dschihad“, schrieb Abdou auf Facebook. Es gebe nur Differenzen über Strategie und Taktik. Für Shafik wurde es peinlich, als republikanische Abgeordnete sie im April bei einer Anhörung zum Thema Antisemitismus an Hochschulen nach Abdou befragten.
Die frühere Präsidentin der London School of Economics (LSE) und Weltbank-Vize mußte sich winden. Abdous Vertrag sei schon gekündigt worden, behauptete sie. „Er wird niemals mehr an der Columbia arbeiten.“ Aber Augenzeugen berichten und belegen mit Fotos, daß der islamo-linke Aktivist weiterhin im Hochschulgebäude ein- und ausgeht. Und Abdou selbst beharrt darauf, daß er bis 30. Mai Gastprofessor sei.
Colombia-Professor schreibt für Intifada-Magazin
Auch andere Columbia-Professoren sind mit zweifelhaften Äußerungen aufgefallen. Der gebürtige Jordanier Joseph Massad veröffentliche in The Electronic Intifada, einem einschlägigen Online-Medium, am Tag nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober, der rund 1.200 Menschen, die allermeisten davon Zivilisten, das Leben kostete, einen enthusiastischen Text, wie „erstaunlich erfolgreich“ die Attacken mit Gleitschirmen auf israelische Siedlungen gewesen seien. „Jubel“ und „Schauer“ beobachtete Massad. Der Professor für zeitgenössische arabische Politik machte keinen Hehl daraus, wo seine Sympathien liegen. Massad ist fest angestellt, seine Position ist sicher. Anderen, die ihre Hamas-Begeisterung noch provozierender herausschrien, wurde gekündigt, etwa dem schwarzen Cornell-Historiker Russell Rickford, der die Hamas-Angriffe Mitte Oktober 2023 als „exhilarating“ (anregend, erheiternd, belebend, beglückend) bezeichnete.
Je länger die israelische Militäroffensive im Gazastreifen andauert, die der Hamas gilt, aber zugleich Zehntausende zivile Tote forderte, desto erbitterter klingen die Proteste, denen sich auch zahlreiche gutmeinende Studenten anschließen. Ein Teil der Aktivisten besitzt offenbar arabische oder afroamerikanische familiäre Wurzeln, sie tragen Kufiya und schwenken schwarz-weiß-grün-rote palästinensische Fahnen. Es beteiligen sich auch erstaunlich viele weiße US-Amerikaner. Manche der „From the River to the Sea“-Rufer sind ziemlich ungebildet; in einer Umfrage konnte die Hälfte nicht einmal klar benennen, welcher Fluß und welches Meer gemeint sind. Beileibe nicht alle der israelkritischen Demonstranten sind klar antisemitisch motiviert. Doch sie lassen es zu, in den Gaza-Protestcamps neben Extremisten zu stehen, die Israels Auslöschung wünschen und grundsätzlich mit dem Westen abrechnen wollen.
Schon vor einem halben Jahr, Ende 2023, hat die jüdische Musikwissenschaftlerin Rebecca Cypess von der Rutgers University in einem Aufsatz in der Zeitschrift Inside Higher Education analysiert, wie der Aufstieg der oft marxistisch motivierten „Scholar-Activists“ nicht nur die Hochschulen politisiert, sondern auch den Boden für einen neuen Antisemitismus bereitet hat.
Seltsame Allianz von Linken und Islamisten
Die Befürworter der „Aktivismus-Wissenschaft“ argumentieren, daß sie aus dem sterilen akademischen Elfenbeinturm ausbrechen müßten, daß sie nicht neutral bleiben könnten, daß Wissen eine Form von Macht sei, daß sich die Akademiker auf die Seite der Diskriminierten und Unterdrückten stellen müßten, daß sie die herrschenden Verhältnisse nicht nur analysieren, sondern verändern müßten. Aber am Ende dominiert der Aktivismus die Wissenschaft. Forschung verkommt zur Manipulation, das Streben nach Erkenntnis verschwindet hinter der Parteinahme.
A combined LGBTQ + Palestine flag in New York protest today.
Why are there so many “queers FOR Palestine”, but absolutely no “queers IN Palestine”? 🤔pic.twitter.com/gR3vQHROzP
— Dr. Eli David (@DrEliDavid) October 28, 2023
Und es ergeben sich an den Universitäten bizarre und gefährliche Allianzen zwischen „emanzipatorischen“ Linken, LGBT-Aktivisten und Muslimen, die regressive islamische Verhältnisse rechtfertigen. In Frankreich ist das Phänomen „Islamo-Gauchisme“ schon länger virulent und wird offen kritisiert. Die an Universitäten und auf Studenten-Demos neuerdings auftretenden „Queers for Palestine“ (wo offene „Queerness“ wie in vielen arabisch-muslimischen Ländern ein Todesurteil bedeutet) sind da nur die Spitze eines Irrwegs, der an vielen westlichen Hochschulen eingeschlagen wurde.
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Quellenlink : Nahost-Konflikt: Nahost-Konflikt Intifada im Hörsaal