Nachbarländer zweifeln an Ergebnis: Nachbarländer zweifeln an Ergebnis Gewaltsame Proteste in Venezuela nach angefochtener Wahl

CARACAS. Die Nationalgarde von Venezuela hat Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten eingesetzt, die am Montagabend gegen das angefochtene Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl protestierten. Tausende junge Venezueler versammelten sich im Regierungsbezirk der Hauptstadt Caracas, wie Videoaufnahmen belegen. Demnach riefen Demonstranten „Freiheit, Freiheit“ und „Sie haben uns beraubt!“, während sie Plakate des sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro abrissen. Der Regierungssitz hatte seit über zwei Jahrzehnten keine Proteste mehr gesehen. Bisher soll mindestens ein Demonstrant gestorben sein, berichtet die französische Presseagentur.

Umfragen vor der Wahl hatten einen klaren Sieg des Oppositionskandidaten Edmundo González prognostiziert. Um Präsident Maduro, der elf Jahre lang regierte, aus dem Amt zu hieven, hatte sich die Opposition hinter González vereinigt. Diese behauptet nun, die Wahl mit 73,2 Prozent der Stimmen gewonnen zu haben.

Oppositionsführerin Maria Corina Machado (rechts) und Präsidentschaftskandidat Edmundo Gonzalez geben eine Pressekonferenz, nachdem die Wahlbehörden Präsident Nicolas Maduro zum Sieger der Präsidentschaftswahlen in Caracas, Venezuela, erklärt haben. Die Oppositionsführerin Maria Corina Machado (r) erklärt Präsidentschaftskandidat Edmundo Gonzalez zum Wahlsieger: Das offizielle Ergebnis zweifeln sie an Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Matias Delacroix
Die Oppositionsführerin Maria Corina Machado (r) erklärt Präsidentschaftskandidat Edmundo Gonzalez zum Wahlsieger: Das offizielle Ergebnis zweifeln sie an Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Matias Delacroix

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl werden durch das zurückhaltende Verhalten der Wahlbehörde bestärkt. Diese erklärte Maduro zum Sieger, ohne die Ergebnisse der Wahlkreise zu veröffentlichen. Etwas, was sie in der Vergangenheit routinemäßig tat. Zudem wurden Wahlbeobachter der Opposition von Beamten und Soldaten daran gehindert, Papierauszählungen der Wahlmaschinen zu erhalten, was einen Verstoß gegen die nationalen Gesetze darstellt. Weiterhin sollen Wahlergebnisse von den Maschinen falsch an die zentrale Behörde übermittelt worden sein. Ohne die Papierauszählungen wird es für die Opposition schwer, ihre Vorwürfe zu beweisen.

Lateinamerikanische Nationen sprechen von „Wahlbetrug“

Daraufhin hatten die Staats- und Regierungschefs von Argentinien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Peru und Uruguay das Ergebnis der Wahl scharf kritisiert. „Nicht einmal er glaubt an den Wahlbetrug, den er zelebriert“, schrieb Argentiniens Präsident Javier Milei auf X an Maduro gerichtet. „Und die Argentinische Republik auch nicht.“ Weiter bot er allen Venezuelern, die „wählen, in Freiheit zu leben“, an, nach Argentinien zu kommen. „Lang lebe die verdammte Freiheit!“

Auch Maduros ideologische Verbündete kritisierten seinen bisher angefochtenen Wahlsieg. Chiles linker Präsident Gabriel Boric Font verkündete: „Das Maduro-Regime muß verstehen, daß die Ergebnisse, die es veröffentlicht, schwer zu glauben sind. Chile wird kein Ergebnis anerkennen, das nicht überprüfbar ist.“

Venezuela beendet diplomatische Beziehungen mit Kritikern

Im Zuge dessen verbannte Venezuelas Außenminister, Yván Gil, noch am Montagnachmittag alle Diplomaten von Argentinien, Chile, Costa Rica, Peru, Panama, der Dominikanischen Republik und Uruguay aus dem Land. Gil warf den lateinamerikanischen Ländern vor, Untergebene der Vereinigten Staaten zu sein und offen für „internationalen Faschismus“ einzutreten.

Bei Chiles Präsident Font stieß dieser Schritt auf weitere Ablehnung. Seine linke Regierungskoalition sei „kein Untergebener“, sondern werde „die demokratischen Werte und die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte entschieden verteidigen“. Er wiederholte seine Forderung nach transparenten Wahlergebnissen.

Wird Brasiliens Präsident Lula intervenieren?

Zweifel an dem Ergebnis äußerte ebenfalls Brasiliens Präsident Lula de Silva. Er distanzierte sich am Montag trotz langjähriger Freundschaft zwischen den zwei linken Politikern von Maduro. Die brasilianische Regierung warte auf „Daten, die nach Wahllokalen aufgeschlüsselt sind, als ein unerläßlicher Schritt für die Transparenz, Glaubwürdigkeit und Legitimität des Wahlergebnisses“. Dem schloß sich auch die linke Regierung in Kolumbien an.

Noch Montag nacht verhandelten Brasilien, Kolumbien und Mexiko eine gemeinsame Stellungnahme, in der Hoffnung, daß eine einheitliche Haltung der drei einflußreichsten Nationen der Region dazu beitragen würde, Maduro zur Veröffentlichung der Ergebnisse nach Wahlkreisen zu bewegen. Bisher hielt sich Brasilien aus internen Angelegenheiten ihrer kleineren Nachbarländer zurück.

Vereinigte Staaten: „Wir beobachten“

Zurückhaltend reagierten bisher auch die Vereinigten Staaten. Der Sprecher für nationale Sicherheit im Weißen Haus, John F. Kirby äußerte „ernste Bedenken, daß das verkündete Ergebnis nicht den Willen und die Stimmen des venezolanischen Volkes widerspiegelt“. Die venezolanischen Behörden müßten, eine vollständige und detaillierte Auflistung der Wahlergebnisse veröffentlichen.

Spätestens seit 2018 versuchen die Vereinigten Staaten, damals unter der Präsidentschaft von Donald Trump, Maduro nach einer ebenfalls angefochtenen Wahl unter Druck zu setzen. Dafür wurden Sanktionen insbesondere gegen Venezuelas Ölindustrie verhängt. Die Regierung von Joe Biden lockerte diese wieder, mit der Bedingung, die Wahlen fair zu gestalten.

Wie die Vereinigten Staaten nun reagieren, ist unklar. „Wir beobachten“, sagte Kirby. „Die Welt sieht zu. Ich will keiner Entscheidung vorgreifen, die hier noch nicht getroffen wurde, was die Konsequenzen betrifft.“

Rußland, China und Iran gratulieren Maduro

Unterdessen verteidigte Maduro seinen erklärten Wahlsieg. Die Opposition habe bereits vor der Wahl von Betrug gesprochen. „Ich habe diesen Film schon ein paarmal gesehen“, sagte er. Die Vereinigten Staaten sollten sich aus den Angelegenheiten Venezuelas heraushalten.

Präsident Nicolas Maduro spricht zu Anhängern, die sich vor dem Präsidentenpalast Miraflores versammelt haben, nachdem die Wahlbehörden ihn zum Sieger der Präsidentschaftswahlen in Caracas, Venezuela, erklärt haben, Montag, 29. Juli 2024.Venezuelas Präsident Nicolas Maduro feiert den Wahlsieg mit seinen Anhängern: Die Ergebnisse werden angefochten Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Fernando Vergara
Venezuelas Präsident Nicolas Maduro feiert den Wahlsieg mit seinen Anhängern: Die Ergebnisse werden angefochten Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Fernando Vergara

Glückwünsche erreichten Maduro bisher aus Bolivien, China, Honduras, Iran, Kuba, Nicaragua, Serbien und Rußland. Präsident Wladimir Putin verkündete, die Beziehung zwischen den Ländern stärken zu wollen. Die Nationen der Europäischen Union, darunter auch Deutschland, gratulierten Maduro bisher nicht. (sv)

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