Nach Weigerung von Ministerpräsidenten ARD und ZDF wollen höheren Rundfunkbeitrag bei Verfassungsgericht einklagen

KARLSRUHE. ARD und ZDF haben angekündigt, für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Die Verfassungsbeschwerde richte sich dagegen, daß die Bundesländer bislang keinen entsprechenden Beschluß gefaßt haben. Eine fristgerechte Anhebung zum 1. Januar 2025 sei daher nicht mehr möglich, sagten die Sender gegenüber der dpa.

Geplant ist eine Anhebung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich. Dies wurde von der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender, empfohlen. Zuvor hatte das höchste Gericht entschieden, daß sich die Bundesländer an diese Empfehlung halten müssen.

Der ARD-Vorsitzender Kai Gniffke teilte mit, dieser Schritt falle den Sendern schwer. „Aber wir können eine Verletzung des Verfahrens nicht hinnehmen.“ ARD und ZDF trügen „über die nächsten vier Jahre hinaus“ eine Verantwortung „für die dauerhafte Sicherung der staatsfernen Finanzierung und damit für journalistische Unabhängigkeit als Bestandteil der Rundfunkfreiheit“. Recht und Gesetzestreue würden „keine Kompromisse“ kennen.

Söder: „Falsches Signal“

ZDF-Intendant Norbert Himmler gab an, daß „die Unabhängigkeit der Berichterstattung“ mit der „Unabhängigkeit der Finanzierung“ stehe und falle. Im Hinblick auf „die Krisenherde der Welt und die wachsende Verunsicherung auch in Deutschland“ sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein „Garant verläßlicher Informationen für die Gesellschaft“.

Die Verfassung gebe vor, daß die Sender dafür „angemessen finanziert“ sein müßten. „Da die Länder die Beitragsempfehlung der KEF nicht umsetzen, bleibt uns keine andere Möglichkeit, als erneut Beschwerde in Karlsruhe einzulegen.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reagierte auf die Ankündigung mit kritischen Worten. „Den Rundfunkanstalten würde mehr Zurückhaltung in eigener Sache guttun“, schrieb Söder auf X. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei „eine tragende Säule der Demokratie“. Er dürfe allerdings „die Akzeptanz und den Rückhalt in der Bevölkerung nicht verspielen“. In Zeiten knapper Kassen sei „eine erzwungene Gebührenerhöhung das falsche Signal“. Auch Rundfunkanstalten müßten „Maß halten“. Vor einer Erhöhung brauche es „entschlossene Reformen und Sparbemühungen“.

Ministerpräsidenten fordern Rundfunk-Reform

Zuvor hatten die Chefs der Bundesländer angegeben, das Thema beim Ministerpräsidententreffen Mitte Dezember erneut beraten zu wollen. In einem Länderbeschluß vom Oktober hatten sich die Ministerpräsidenten geeinigt, daß es „eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ brauche, wie der Spiegel berichtete. Ziel sei es, „ARD, ZDF und Deutschlandradio digitaler, schlanker und moderner aufzustellen und ihre Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu stärken“.

Unter anderem forderten die Politiker, „Doppelstrukturen“ im Programm abzubauen. So sollen die derzeit 70 Radiosender auf 53 begrenzt werden. Inhalte sollen sich stärker auf junge Menschen konzentrieren und die „Interaktion mit Publikumsdialog“ gestärkt werden.

Sachsen-Anhalt will Beitrag „einfrieren“

Mehrere Länderchefs hatten im Vorfeld Skepsis gegenüber einer weiteren Erhöhung der Pflichtzahlung geäußert. So sprach der baden-württembergische Staatssekretär Rudi Hoogvliet (Grüne) davon, daß zuvor bekannt gewordene Korruptionsskandale beim RBB zu einer „Vertrauenskrise“ des Senders geführt hätten. Daher müsse eine sparsame, wirtschaftliche und vor allem transparente Verwendung der Beitragsgelder sichergestellt werden.

Die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Niedersachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein äußerten sich ebenfalls kritisch oder klar ablehnend gegenüber einer weiteren Gebührenanhebung. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), sprach davon den Rundfunkbeitrag „einzufrieren“. Der bayerische Landeschef Markus Söder (CSU) forderte eine Reform der öffentlich-rechtlichen Medien.

Verfassungsgericht: Beitragserhöhung hat Verfassungsrang

Im Streit um eine vorherige Anhebung der Gebühr um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat hatte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2021 entschieden, daß die Erhöhung verfassungsrechtlich geboten sei. Zuvor hatte sich der Landtag von Sachsen-Anhalt durch gemeinsame Stimmen von AfD und CDU gegen die Beitragssteigerung gestellt.

Der Erste Senat des Gerichts rügte daraufhin das Bundesland. Laut Verfassungsrecht bestehe „eine staatliche Handlungspflicht in Bezug auf die Gewährleistung der funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit der ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch korrespondiert“. Anders gesagt: Die Beitragserhöhung hat Verfassungsrang.

Gerade in Zeiten „von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News“ und Deep Fakes böten öffentlich-rechtliche Medien „authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund“ rückten. Ihren finanziellen Bedarf sollten Rundfunkanstalten selbst melden. Zwar gebe es eine „externe Kontrolle“, deren Aufgabe sei es aber nicht, „die Vernünftigkeit oder Zweckmäßigkeit der jeweiligen Programmentscheidungen“ zu beurteilen, sondern lediglich, ob der Finanzbedarf „im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ stehe. (lb)

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