Meinungsfreiheit Kritik an „Trusted Flagger“: Die Grünen und das „Zensursystem“

BERLIN. Der Verfassungsrechtler an der Universität Augsburg, Josef Franz Lindner, hat scharfe Kritik am Prinzip der von der Bundesnetzagentur zertifizierten „vertraulichen Hinweisgeber“, sogenannten „Trusted Flaggern“ geübt. „Es ist Aufgabe des Staates, sicherzustellen, daß das Meldesystem der ,Trusted Flagger‘ in Deutschland nicht als demokratiegefährdendes Zensursystem mißbraucht wird.“

Die Bundesnetzagentur führt der ehemalige Grünen-Politiker Klaus Müller. Unterstellt ist sie dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (ebenfalls Grüne). Am 1. Oktober hatte sie die Meldestelle „REspect!“ als ersten „Trusted Flagger“ zugelassen. Weitere rund zwölf Privat-Organisationen haben sich beworben, ebenfalls schnelle Löschungen unliebsamer Äußerungen vor allem in den sozialen Medien und auf Videoplattformen zu veranlassen.

Es droht schnelle Zensur

Deren Betreiber sind nach Eingang einer Meldung der „Trusted Flagger“ verpflichtet, diese „vorrangig“ und „unverzüglich“ zu bearbeiten und zu entscheiden. Klar scheint: Um die angedrohten hohen Strafen zu vermeiden, werden sie beim geringsten Zweifel die geforderte Zensur vornehmen.

Vorausgegangen war eine Frage des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki an die Netzagentur, ob die „vertraulichen Hinweisgeber“ Träger von Hoheitsgewalt, juristisch sogenannte Beliehene, sind. Darauf konnte Müller keine Auskunft geben. Er antwortete laut Welt, ob seine Zertifizierung „eine Beleihung darstellt, ist notfalls gerichtlich zu klären“. Bedeutet: Die zensierten User müssen kostspielig klagen, damit die Frage entschieden wird.

„Es ist in einem Rechtsstaat unerhört“, sagte der Verfassungsrechtler der Zeitung, daß eine Behörde den Rechtsstatus von Organisationen offenlasse, die sie selbst zertifiziert habe. „Herr Müller von der Bundesnetzagentur macht es sich in wirklich bedenklicher Weise leicht, wenn er dem Bürger sagt, er solle das von den Gerichten klären lassen. Das ist nicht nur wegen des Prozeßkostenrisikos ein No-Go.“

„Trusted Flagger“ als Träger von Hoheitsrechten

Lindner schätzt die „Trusted Flagger“ als Träger von Hoheitsrechten ein. Damit seien sie auch verpflichtet, „die Grundrechte zu beachten, zumal die Meinungsfreiheit – und damit auch die strenge Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“. Karlsruhe hat den Rahmen für erlaubte Meinungen sehr weit gefaßt.

Auch Kubicki sieht in den „Trusted Flaggern“ eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Außerdem sagte er der Welt: „Man kann nur von unverantwortlichem Dilettantismus sprechen, wenn nicht einmal die Bundesnetzagentur um die rechtliche Qualität einer Zertifizierung der ‚Trusted Flagger‘ weiß.“ Es gehe bei der Frage nicht um eine Kleinigkeit: „Wir reden im Zweifel von schweren Eingriffen in die Meinungsfreiheit. Da kann man von einer Bundesregierung und den ihr unterstellten Behörden erwarten, daß sie wissen, was sie tun.“

Und Kubicki kritisierte auch den Grünen-Spitzenkandidaten: „Daß sich Klaus Müller als Robert Habecks Behördenchef auf den Standpunkt ,Sollen sie doch klagen‘ stellt, deutet zudem an, wie viel die Grünen von mündigen Bürgerinnen und Bürgern halten, wenn sie selbst in der Regierung sitzen: nicht viel.“ (fh)

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