Medienbericht Vorwürfe gegen Stephan Kramer – AfD fordert Aufklärung

ERFURT. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat einen Untersuchungsausschuß gegen den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, ins Spiel gebracht. „Die heute bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan Kramer und zwei Journalisten des MDR zeichnen ein verheerendes Bild, sowohl von der Behörde als auch dem öffentlichen Rundfunk in Thüringen“, sagte der AfD-Landeschef Stefan Möller.

Der langjährige Amtschef soll den Inlandsgeheimdienst entgegen rechtlichen Argumenten in parteipolitischer Absicht führen, einem seiner Mitarbeiter körperliche Gewalt angedroht und Geheimnisverrat begangen haben, berichtet das Nachrichtenmagazin Apollo News.

AfD-Gutachten sorgt für „Lacher, bis heute“

Demnach habe Kramer 2018 an den zuständigen Fachreferaten vorbei die AfD als Prüffall eingestuft. Apollo News zitiert dazu aus einer E-Mail eines Mitarbeiters: Das zuständige Referat sei „weder unterrichtet – geschweige denn beteiligt – worden“.

Zudem sei die Materialsammlung zur Einschätzung als Prüffall durch den Behördenleiter persönlich angelegt worden. Dabei sei nicht klar, woher der SPD-Politiker sein Material beziehe. Im Bundesamt für Verfassungsschutz solle Kramers Bericht für „Lacher, bis heute“ sorgen, zitiert das Nachrichtenportal. Auch bei den eigenen Mitarbeitern habe die Materialsammlung für Unmut gesorgt.

Kramer verwarf Ergänzungsgutachten

Im März 2021 stufte Thürigens Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein. Für das 600seitige Gutachten wurden diesmal alle Fachreferate einbezogen. Allerdings habe Kramer ein 30seitiges Ergänzungsgutachten zur Indemnität verworfen, das Zweifel in die Einstufung gebracht hätte.

Das Prinzip der Indemnität untersagt es Abgeordneten des Thüringer Landtages, für Aussagen belangt oder verfolgt zu werden, die sie in ihrer Funktion tätigen. Diese Regel gilt auch für den Verfassungsschutz. Allerdings habe Kramer dies mit der Begründung, „dem Gegner keine Argumente liefern“ zu wollen, verworfen. Wie Apollo News schreibt, sei den Verfassungsschützern von Anfang an klar gewesen, welches Ziel der Behördenleiter verfolge.

In diesem Zuge soll Kramer einem der Autoren des AfD-Gutachtens körperliche Gewalt angedroht haben. Dies habe der Autor beim Personalreferat des Innenministeriums angegeben. Aus seinen Absichten gegen die AfD vorzugehen, machte Kramer auch öffentlich keinen Hehl. Vor den Landtagswahlen in Thüringen sagte er zur Frage einer möglichen AfD-Regierungsverantwortung, daß er bis zum Wahltag „alles tun werde, um mich im Rahmen meiner gesetzlichen Möglichkeiten und Bürgerpflichten gegen diesen Extremismus-Angriff zur Wehr zu setzen“.

MDR-Journalisten brachen Pressekodex

Weiterhin soll Thüringens Innenministerium ein Disziplinarverfahren gegen Kramer in Gang gesetzt haben. Der Verdacht, der Behördenleiter habe „streng vertrauliche Informationen über ernsthafte Funktionsstörungen und innerdienstliche Spannungen im Amt für Verfassungsschutz weitergegeben“, stehe im Raum. Dabei habe er sich mit Journalisten über Interna und unliebsame Mitarbeiter ausgetauscht.

Hintergrund sind Aufnahmen aus 2015, die Kramer mit der russischen Rockergruppe „Nachtwölfe“ bei einer Kranzniederlegung zeigen. Sie gelten wahlweise als „Putin-Rocker“ und feierten den Sieg der Roten Armee über die Wehrmacht. Öffentlich wurden die Bilder 2019.

Jedoch soll sich bereits 2018 ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes an die MDR-Investigativjournalisten Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia gewandt haben. Diese seien daraufhin jedoch in Kontakt zu Kramer getreten. Ein Verstoß gegen den Quellenschutz des Pressekodex, sollte es stimmen. Der Mitarbeiter arbeitete kurz darauf nicht mehr im Verfassungsschutz.

Thüringens Innenministerium, das Amt für Verfassungsschutz Thüringen, ihr Präsident Kramer sowie die Journalisten Hemmerling und Kendzia hätten sich gegenüber Apollo News nicht geäußert. Der MDR könne den Sachverhalt nicht prüfen, da die entsprechenden Dokumente nicht vorlägen.

Kramer traf sich mit Islamisten

Es ist nicht das erste Mal, daß Kramer in der Kritik steht. Ihm war bereits mehrfach vorgeworfen worden, den Verfassungsschutz zunehmend zu politisieren und sein Amt politisch zu mißbrauchen. Eigentlich hatte er 2020 eine Kandidatur für die SPD zum Bundestag angestrebt. Mitte Mai zog er das Vorhaben aber wieder zurück.

2019 wurde zudem bekannt, daß sich Kramer in seiner Funktion als Verfassungsschutzchef auch zu Gesprächen mit Vertretern von radikal-islamischen Organisationen getroffen hatte. Das Thüringer Innenministerium wollte die Angelegenheit damals allerdings nicht kommentieren. Es war aber auch nicht seine erste Amtshandlung, die für Stirnrunzeln sorgte. Bereits zuvor war öffentlich geworden, daß Kramers Verhalten in der Diskussion um eine mögliche Beobachtung der AfD von leitenden Mitarbeitern seiner Behörde als wenig optimal eingeschätzt wurde.

Fragen um die Befähigung

Kramer ist seit November 2015 Verfassungsschutzchef in Thüringen, obwohl er nicht über eine Befähigung zum Richteramt verfügt. Im Thüringer Verfassungsschutzgesetz heißt es: „Das Amt des Präsidenten soll nur einer Person übertragen werden, die die Befähigung zum Richteramt besitzt.“ Kramer hat sein Rechtswissenschaftenstudium nicht abgeschlossen. Stattdessen hat er einen Master in Sozialpädagogik.

Als Erwachsener konvertierte er zum Judentum und war von 2004 bis 2014 Generalsekretärs des Zentralrats der Juden. 2009 rückte er Thilo Sarrazin wegen dessen Äußerungen zur Einwanderung in die Nähe der Nationalsozialisten. „Ich habe den Eindruck, daß Sarrazin mit seinem Gedankengut Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist“, sagte er. Später entschuldigte er sich für die Äußerung. (sv)

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