Landgericht Erschossener Messer-Senegalese in Dortmund: Urteil gefallen

Anzeige

Cato, Palmer, Exklusiv

DORTMUND. Das Landgericht Dortmund hat alle Polizisten, die wegen des Todes eines Senegalesen im Februar 2023 in Dortmund angeklagt worden waren, freigesprochen. Der 31jährige Schütze hatte geglaubt, in einer Notwehrsituation zu stecken, und daher keine Straftat begangen, entschied Richter Thomas Kelm am Donnerstag, wie Medien berichten.

Auch der Dienstgruppenleiter, dem die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vorgeworfen hatte, wurde freigesprochen. Das Gericht folgte nicht der Darstellung der Anklage, der Einsatzleiter habe zu Unrecht den Einsatz von Pfefferspray gegen den Senegalesen angeordnet und dadurch dessen Tod provoziert. Das sofortige Einschreiten des Leiters sei gerechtfertigt gewesen, um die Gefahr abzuwenden, daß sich der Migrant das Leben nehme, oder Dritte gefährde.

Am 8. August 2022 waren die Polizisten in Dortmund zu einem Kirchengelände gerufen worden. Ein Anwohner berichtete, daß ein junger Mann sich mit einem Messer bewaffnet hätte und auf dem Gelände umherlaufen würde. Nach dem Eintreffen der Beamten soll der Mann, ein 16jähriger Senegalese namens Mouhamed D., gedroht haben, sich das Messer selbst in den Bauch zu rammen.

Staatsanwaltschaft beantragte Freispruch für vier Polizisten

Die Polizisten versuchten, D. anzusprechen. Als das mißlang, ordnete der Dienstgruppenleiter den Einsatz von Pfefferspray ein – in der Hoffnung, daß der Ausländer das Messer fallen lassen würde, um sich die Augen zu reiben. Stattdessen lief D. mit dem Messer in der Hand auf die Polizisten zu. Der Einsatz von Tasern stoppte ihn nicht.

Ein Polizist deutet die Laufbewegung als Angriff und schoß sechsmal mit einer Maschinenpistole auf den Migranten. D. wurde kurze Zeit später für tot erklärt.

„Nachher ist man immer schlauer“

Nachdem die Staatsanwaltschaft den Schützen zunächst wegen Totschlags angeklagt hatte, rückte sie davon bereits während der Verhandlung ab. Auch für drei der Kollegen, für die sie ursprünglich Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung beantragt hatte, forderte sie später Freispruch. Lediglich die Anschuldigung gegen den Dienstgruppenleiter blieb zunächst bestehen.

Richter Kelm betonte, daß die Urteile „zu Beginn nicht vorhersehbar“ gewesen seien. „Nachher ist man immer schlauer, besonders, wenn man im Gerichtssaal sitzt“, zitierte ihn die SZ. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, eine Revision prüfen zu lassen.

Der Fall hatte deutschlandweit für Aufsehen gesorgt, da insbesondere Politiker aus dem linken Spektrum Kritik am Einsatz äußerten. „Der Fall wirft zu Recht viele Fragen auf“, empörte sich damals etwa die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordneten Anja Butsckau, Nadja Lüders, Volkan Baran und Ralf Stoltze in einer gemeinsamen Erklärung. „Gab es angesichts der großen numerischen Überlegenheit tatsächlich keine andere und mildere Möglichkeit, die Gefahr für das eigene Leben abzuwenden?“

Grüne waren entsetzt über „Schreckenstat“

Die Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes Heide Brenner sowie die Grünen-Ratsfraktionsmitglieder Ingrid Reuter und Ulrich Langhorst hatten sich über den Tod des Messerangreifers „zutiefst schockiert und fassungslos“ gezeigt. „Wir trauern mit allen, die ihm nahestanden und diese Schreckenstat miterleben mußten.“

Die Grüne Bezirksbürgermeisterin von Dortmund Innenstadt-Nord, Hannah Rosenbaum, hatte die Ausrüstung der Beamten kritisiert. „Wir haben in den letzten Jahren eine zunehmende Aufrüstung der Polizei in der Nordstadt erlebt“, heißt es in einer Stellungnahme. „Diverse Vorfälle und Rassismus-Vorwürfe in der Vergangenheit“ hätten angeblich bei „bei vielen Bürgern mit Zuwanderungsgeschichte“ zu Vertrauensverlusten geführt.

Der Dortmunder Grünen-Abgeordnete Michael Röls drückte gleichfalls seine Anteilnahme aus: „Ich bin tief erschüttert über den Tod des Jugendlichen am vergangenen Montag. Es ist unfaßbar tragisch, daß ein junger Mensch, der nach Deutschland geflüchtet ist, bei einem Polizeieinsatz verstirbt.“ Auch er mache sich „große Sorgen, daß dieser Einsatz zu einem weiteren Vertrauensverlust bei Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe oder mit Migrationshintergrund führen kann“. (lb)

Quellenlink : Landgericht Erschossener Messer-Senegalese in Dortmund: Urteil gefallen