Kinobesprechung: Kinobesprechung Kein Colt für alle Fälle

Er ist wieder da: Colt Seavers, der unverwüstliche Stuntman, der als Titelheld der TV-Serie „Ein Colt für alle Fälle“ vor vierzig Jahren vor allem jugendliche Zuschauer in Scharen an die Flimmerkisten fesselte. Neben „Dallas“ und „Denver-Clan“ war die Action-Reihe um einen Stuntman, der zur Aufbesserung seines Gehalts nebenbei auf Kaution freigelassenen und danach untergetauchten mutmaßlichen Kriminellen hinterherjagte, eine der großen Erfolgsserien der frühen Achtziger.

In einfachen Worten: Colt war Kult. Zum Stammpersonal der beliebten Reihe gehörten außer Hauptdarsteller Lee Majors auch Douglas Barr als Colts umtriebiger Cousin Howie und Vorzeigeblondine Heather Thomas als Stuntfrau Jody Banks. Das Interesse der beiden Männer an dem häufig im Bikini zu sehenden Blickfang war seinerzeit rein beruflicher Natur. Das scheint Drehbuchautor Drew Pearce irgendwie nicht nachvollziehbar gefunden zu haben, so daß er im Colt-Kinofilm, der jetzt blöderweise unter dem amerikanischen Originaltitel der Serie „The Fall Guy“ und leider nicht als „Colt für alle Fälle“ in die Kinos kommt, Seavers (Ryan Gosling) und seiner Kollegin Jody (Emily Blunt) eine Liebesbeziehung andichtet.

Allerdings eine, die, passend zum Filmtitel, im freien Fall ist, nachdem der Stuntman infolge eines Absturzes bei einem besonders gefährlichen Dreh schwer verletzt im Krankenhaus gelandet ist. Dort hat er – so will es das leider nicht besonders originelle Skript – es versäumt, sich von Jody betüdeln zu lassen. So wird seine Freundin zu seiner Ex-Freundin. Und die ist nach 18 Monaten eisigen Schweigens erst mal nicht besonders angetan davon, daß er plötzlich als Stuntman unangemeldet bei ihrer ersten großen Regiearbeit einspringt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Ein Toter in der Hotelbadewanne

In der australischen Wüste dreht Jody den Science-Fiction-Kracher „Metalstorm“, von der Werbung angekündigt mit dem Slogan: „Es ist zwölf Uhr mittags am Rande des Universums“. In der Hauptrolle: der aktuell äußerst angesagte Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson). Wegen seiner großen Ähnlichkeit mit ihm war Colt Seavers bis zu seinem schweren Unfall dessen Standard-Stuntdouble. Klar, daß man ihn für „Metalstorm“ gebrauchen kann.

Mit dem dramatischen Appell „Rette Jodys Film!“ hatte Produzentin Gail (Hannah Waddingham) Colt nach Australien gelockt. Aber warum weiß Jody nichts davon? Rasch wird Colt aufgeklärt: In Wahrheit zählt Gail nicht zuvörderst auf Colts Stunt-Qualitäten, sondern auf dessen Spürsinn und körperliche Robustheit bei der Aufklärung des ebenso abrupten wie mysteriösen Verschwindens von Hauptdarsteller Tom Ryder.

Jody soll sich auf ihre Arbeit konzentrieren und am besten gar nichts davon merken, daß ihr ganzer Film auf der Kippe steht. Denn wenn Tom nicht ganz schnell wieder auftaucht, muß die Produktion eingestellt werden. Bei seinen Nachforschungen stößt Colt auf eine Menge Notizzettel und einen Toten in einer Hotelbadewanne. Unversehens sieht sich der arglose Filmschaffende dem Verdacht ausgesetzt, dessen Mörder zu sein. Könnte es sein, daß Colt in eine Riesenverschwörung hineingeraten ist?

Langeweile kommt keine auf

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: „The Fall Guy“ ist nur äußerst vage an die beliebte Serie mit Lee Majors angelehnt. Colts Nebenberuf als Kopfgeldjäger ist ebenso aus dem Skript verschwunden wie Cousin Howie, der in „Ein Colt für alle Fälle“ zuverlässig für das komödiantische Element sorgte. Und daß Jody (die hier den Nachnamen Moreno trägt) mal Regisseurin sein würde, hat sich seinerzeit auch nicht wirklich abgezeichnet.

Dafür läßt es David Leitch, selbst ausgebildeter Stuntman (weswegen Universal Pictures diese Regiearbeit „seinen bisher persönlichsten Film“ nennt), ordentlich krachen. Eine Autoverfolgungsszene erinnert verdächtig an „The Fast and the Furious“, und siehe da, bei einem Film der Action-Kinoreihe, nämlich „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“ (2019), hat Leitch ebenfalls bereits Regie geführt. Man kann sich selbstverständlich darauf verlassen, daß es irgendwann auch in die Luft geht und Ryan Gosling dann in absolut erwartbarer Manier an den Kufen eines Hubschraubers hängt. Langeweile kommt da keine auf.

Nebenbei gibt es jede Menge Zitate und Anspielungen auf legendär gewordene Film- und Fernsehklassiker, auf „Rocky“ (1976) beispielsweise, auf „Notting Hill“ (1999) und auf die Krimiserie „Miami Vice“ – kleiner Bonus für alle, die schon auf der Welt waren, als diese Produktionen Furore machten. Sichtlich Spaß hatten auf alle Fälle Emily Blunt und Filmpartner Ryan Gosling an dem Abenteuer-Spektakel.

Es kann nur einen Colt geben

Daß die Chemie zwischen beiden stimmt, ist unübersehbar. Mit einem „großen Edelstein“ verglich Blunt ihren Filmpartner bei der Premiere. „Es gibt nichts, was sie nicht kann“, revanchierte der sich. Emily sei einfach die beste.

Bei allem Spaß und Augenzwinkern eint immerhin eines Spielfilm und Serie: die sehr ernst gemeinte Würdigung des gefährlichen Berufes des Stuntman, ohne den es kein echtes Actionkino geben kann. Im Abspann sind die vielen für den Film ausgeführten Stunts aus Beobachterperspektive zu sehen, dazu erklingt das legendäre Serien-Titellied „Unknown Stuntman“, damals gesungen von Lee Majors persönlich. Das entschädigt eingefleischte Freunde von „Ein Colt für alle Fälle“ ein wenig für den Schrapnell-Rock à la Kiss, der ansonsten über weite Strecken im Film zu hören ist.

Und wer treu im Lichtspielsaal ausharrt und nicht gleich wie ein aufgescheuchtes Huhn vom Kinositz flattert, sobald die erste Zeile des Abspanns auf der Leinwand erscheint, der bekommt dann auch noch den einzig wahren Colt zu sehen.

Filmstart: 30. April

Quellenlink : Kinobesprechung: Kinobesprechung Kein Colt für alle Fälle