BERLIN. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den neuen Lagebericht zu den Rechtsextremisten in den deutschen Sicherheitsbehörden vorgestellt. Demnach bestünden bei 364 der insgesamt 690.300 Beschäftigten der Bundeswehr sowie der Polizeien von Ländern und Bund „konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“. Dies entspricht 0,057 Prozent aller Mitarbeiter. Geprüft wurden insgesamt 739 Fälle von Juli 2021 bis Dezember 2022. „Auch wenn wir hier nur über eine absolute Minderheit von Bediensteten sprechen, so gilt der Bekämpfung von Verfassungsfeinden in unseren Sicherheitsbehörden in jedem einzelnen Fall unsere volle Aufmerksamkeit“, sagte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang bei der Vorstellung.
Aus dem Lagebericht geht weiter hervor, daß insbesondere „extremistische Verlautbarungen in Chats und einschlägige Äußerungen auf Social-Media-Plattformen“ zu den untersuchten Aktivitäten zählten. Fast ein Sechstel der Verdachts- und erwiesenen Fälle fiel in diese Kategorie. Weitere 15,3 Prozent stellten „politisch motivierte Beleidigungen“ dar. Deutlich geringere Anteile verzeichnete der Verfassungsschutz bei gewaltorientierten Handlungen. Im Bund waren es 3,8 Prozent, in den Ländern 6,3 Prozent der Fälle.
Erstmals erfaßte der Verfassungsschutz die „Delegitimierungsszene“
Die mutmaßliche „Reichsbürger“-Gruppierung um Heinrich XIII. Prinz Reuß habe gezeigt, welches konkrete Gefahrenpotential von Extremisten im öffentlichen Dienst ausgehe, betonte Haldenwang. Allerdings wurden nur 13,7 Prozent der 364 Verdachts- und erwiesenen Fälle diesem Phänomenbereich zugeordnet. Stattdessen dominierte der Rechtsextremismus mit 82,9 Prozent der Fälle, wobei einige Fälle mehreren Bereichen zugeordnet wurden. Die Anhänger der „Reichsbürger“-Bewegung erkennen die Existenz der Bundesrepublik nicht an.
Erstmals erfaßte das BfV auch die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Die „Delegitimierungsszene“ ziele darauf ab, gegen den Staat, seine Institutionen und „demokratisch gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten“ zu agitieren und letztlich das politische System zu beschädigen. Wenn „im einzelnen durchaus kritikwürdige Umstände bewußt mit dem Ziel überspitzt und verallgemeinert“ würden, sodaß die Ursache dafür nur in der Grundordnung gesehen werden könne, stünde dies im Widerspruch zum Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Dieser Bereich machte rund 8,2 Prozent der Verdachts- und erwiesenen Fälle aus.
Auch AfD-Kontakte und Corona-Szeneverbindungen wurden gezählt
In den 86 Rechtsextremismusfällen listete der Verfassungsschutz zudem auf, welche Verbindungen zu den beobachteten Organisationen bestünden. Dazu zählte die Behörde beispielsweise Mitgliedschaften, Spenden, freiwilliges Engagement und Übernahme von Funktionsämtern. So konnten sie mehrfach bei einer einzelnen Person gezählt werden. Insgesamt 229 Verbindungen stellte die Behörde fest, 64 davon allein zum Verdachtsfall AfD und zu der als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuften Jungen Alternative.
Weitere 139 Fälle wiesen 714 „direkte soziale Beziehungen“ zu den vom Verfassungsschutz beobachteten Personen auf. Dazu zählten unter anderem Personen wie der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke und „extremistische Personen“, die im Zusammenhang mit den Corona-Protesten bekannt geworden seien. Die Art der Verbindung reiche dabei von „eher losen Internetkontakten“ bis hin zu Freundschaften, heißt es im Lagebericht.
Faeser: „Bei Rechtsextremisten bleiben wir wachsam“
Lob kam von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). „Der neue Lagebericht zeichnet ein präzises Bild“, sagte sie. Vertrauen und Transparenz seien „essentiell“ und jeder einzelne Fall sei einer zu viel. Vor allem der Zugriff auf Waffen und besondere Eingriffsbefugnisse müßten auch mit der notwendigen Kontrolle einhergehen. „Hier bleiben wir wachsam.“
Damit begründete Faeser auch das neue Disziplinarrecht. Künftig können die dafür zuständigen Behörden ohne Klage vor dem Verwaltungsgericht sämtliche Verfahren durchführen, einschließlich der Entfernung der Beamten aus dem Dienst. „So können wir Disziplinarverfahren wesentlich schneller führen und Verfassungsfeinde konsequent aus dem öffentlichen Dienst entfernen“, betonte die SPD-Politikerin. (kuk)
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Quellenlink : „Hier bleiben wir wachsam“: „Hier bleiben wir wachsam“ Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden? Um so viele Fälle geht es