Heim-EM: Heim-EM Der neue Fußball-Kaiser?

Als Toni Kroos vor zehn Jahren vom FC Bayern zu Real Madrid wechselte, brach in München kaum jemand in Verzweiflung aus. Der damals 24jährige verkörperte zwar internationale Klasse und zeigte hervorragende technische Fähigkeiten. Aber hatte er das Zeug, zu einem der prägenden Fußballer der kommenden Jahre zu werden? Nein, entschieden die Bayern und verkauften ihn für vergleichsweise günstige 25 Millionen Euro in die spanische Hauptstadt. Den Fans war es recht.

Heute ist Kroos einer der größten Spieler seiner Generation weltweit. Besonders euphorische Zeitgenossen vergleichen ihn sogar mit „Kaiser“ Franz (Beckenbauer). Fest steht, daß der gebürtige Greifswalder, ausgebildet in der Jugend von Hansa Rostock, das Spiel mit seinen zentimetergenauen Diagonalbällen verlagern kann wie kein zweiter. Brasilianische Medien verpaßten ihm den Spitznamen „Garçon“ (zu deutsch: der Kellner), weil er seinen Mannschaftskollegen ebenso flink wie formvollendet einen Paß nach dem anderen serviert.

Mit Real hat Kroos fünfmal die Champions League gewonnen und längst den Status einer Vereinslegende erreicht. „Vielleicht“ sei der Verkauf ein Fehler gewesen, muß inzwischen selbst der sonst so stolze Bayern-Patriarch Uli Hoeneß einräumen.

„Querpaß“-Toni gehört der Vergangenheit an

Die neue Wertschätzung hat der Mittelfeldregisseur aber nicht nur seiner Trophäensammlung zu verdanken. Kroos war früher als Schönwetterfußballer verschrien, als „Querpaß“-Toni, der kein Risiko eingeht und nur glänzt, wenn es für die Mannschaft ohnehin gut läuft. Nach und nach ist er in die Rolle des Führungsspielers hineingewachsen. In schwierigen Phasen ist er es, dem die Kollegen den Ball anvertrauen.

Auch außerhalb des Platzes hat der Sohn einer DDR-Badminton-Meisterin, angeleitet von seinem umtriebigen Berater Volker Struth, seine Hausaufgaben gemacht. „Mit sozialen Projekten („Toni Kroos Stiftung“), einem eigenen Podcast („Einfach mal Luppen“) und einem Kinofilm des Regisseurs Manfred Oldenburg, in dem der dreifache Familienvater Einblicke in sein Privatleben gewährt, hat er sich das gleichermaßen verhaßte wie ersehnte „positive Image“ aufgebaut. Anders geht es eben nicht im modernen Fußball, wo Ballkünste allein für öffentliche Anerkennung nicht mehr ausreichen.

Der Karriere die (Kaiser-)Krone aufsetzen

Wenn dann auch noch authentische Momente hinzukommen, ist das Tamtam doppelt verzeihlich. „Du hattest 90 Minuten, dir vernünftige Fragen zu überlegen, und dann stellst du mir zwei so Scheißfragen. Das ist Wahnsinn, ganz schlimm!“, blaffte Kroos einen ZDF-Reporter nach dem Sieg im Champions-League-Finale 2022 gegen Jürgen Klopps FC Liverpool an. So viel Kante zu zeigen, war für den zurückhaltenden Starkicker lange undenkbar.

Mit dem Abpfiff der Europameisterschaft wird der Rechtsfuß seine Laufbahn nach 17 Profijahren beenden. Eigentlich war er vor drei Jahren schon aus der Nationalmannschaft zurückgetreten.

Für die Heim-EM gab es den Rücktritt vom Rücktritt – die Überzeugungskünste von Bundestrainer Julian Nagelsmann und die Verlockung, seiner außergewöhnlichen Karriere die Krone aufzusetzen, waren zu groß. Schafft es der Weltmeister von 2014, seine Farben bei der EM im eigenen Land zum Titel zu führen, stünde Toni Kroos vielleicht wirklich auf einer Stufe mit dem Kaiser.

JF 24/25

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