Großbritannien Die erste schwarze Frau gegen den blassen Premier

Noch nie stand eine britische Regierungspartei so kurze Zeit nach ihrem Wahlsieg in Umfragen so schlecht da. Labour ist deutlich unter 30 Prozent der Wählerstimmen gesunken. Vor vier Monate erzielte Labour mit einem Drittel der Stimmen einen „Erdrutschsieg“ – aufgrund des Mehrheitswahlsystems, da die Tories viele Stimmen an Reform UK verloren und ihre Fraktion dadurch brutal schrumpfte.

Doch der blasse Premierminister Keir Starmer und seine Labourpartei haben einen denkbar schlechten Start hingelegt, und Starmer ist schon unbeliebt. „Die Regierung ist ziellos und die Optik miserabel“, schrieb das Labour-nahe Magazin New Statesman zu Starmers 100-Tage-Bilanz. Affären um Geschenke, der Umgang mit den Protesten nach den Southport-Morden und ein fragwürdiges Budget mit großen Steuererhöhungen haben das Bild getrübt.

Bei vielen Wählern kam keineswegs gut an, daß sich Starmer vom schwerreichen Labour-Großspender Lord Alli teure Anzüge, Designerbrillen und Fußball-VIP-Tickets im Wert von Zehntausenden Pfund schenken ließ.

Labour-Großspender Lord Alli. Foto: picture alliance / empics | Ian West

Auch andere Parteigrößen bekamen wertvolle Klamotten. Vizeregierungschefin Angela Rayner ließ sich in Lord Allis New Yorker Luxusapartment einladen. Die Affäre um „Freebies“ (Werbegeschenke) hat den Ruf der Labour-Führungsriege als Vertretung der hart arbeitenden Bevölkerung angekratzt. Der Premier ist auf der Popularitätsskala rasant abgerutscht. Sein Netto-Beliebtheitswert liegt bei minus 18 Prozent.

Polizei verschwieg wohl Fakten über den Southport-Mörder

Für Aufsehen sorgte die Enthüllung, daß der Messerstecher, der Ende Juli im nordenglischen Southport drei kleine Mädchen in einer Tanzklasse ermordete, offenbar doch einen Islamismus-Hintergrund hat. Erst drei Monate nach der entsetzlichen Tat rückte die Polizei mit dieser Erkenntnis heraus. Zuvor hieß es über Wochen, der Southport-Täter Axel Muganwa Rudakubana, Sohn ruandischer Einwanderer, sei keineswegs ein Muslim.

Der Dreifachmord hatte das Land geschockt. Auf die folgenden Unruhen, Proteste und teils gewalttätigen Ausschreitungen reagierte die Starmer-Regierung mit sehr harter Hand. Mehrere hundert Teilnehmer wurden in Schnellverfahren zu erstaunlich langen Gefängnisstrafen verurteilt. Ein zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilter 61jähriger, Peter Lynch, beging kurz nach Haftantritt Selbstmord. Anhänger des rechten Aktivisten Tommy Robinson kamen daraufhin zu einer Großdemonstration in London mit etwa 15.000 Teilnehmern zusammen.

Tommy Robinson
Nach den Morden in Southgate kam es landesweit, wie hier in London, zu Protesten gegen die Einwanderungspolitik. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jordan Pettitt

Ende Oktober mußte die Polizei zugeben, daß sie über den Southport-Mörder nicht die ganze Wahrheit mitgeteilt hatte. Bei Rudakubana wurde ein Al-Qaida-Handbuch für den Dschihad-Kampf gefunden, zudem habe er das tödliche Nervengift Rizin hergestellt. Rudakubana wird nun auch wegen Vergehen nach dem Terrorism Act angeklagt.

Offenbar verschwieg die Polizei die Information über das Dschihad-Handbuch wochenlang vor der Öffentlichkeit. Nigel Farage, der Chef der Reform-Partei, sah sich bestätigt. Der konservative Ex-Immigrationsstaatssekretär Robert Jenrick sagte: „Der Staat sollte seine eigenen Bürger nicht anlügen.“ Die Tory-Politikerin Kemi Badenoch, sagte, es gebe „ernste Fragen“ an die Polizei, die Staatsanwaltschaft „und auch zu Keir Starmers Reaktion“. Der Premier warnte die Tories, die Arbeit der Behörden in Zweifel zu ziehen.

Konservative wollen mit Kemi Badenoch durchstarten

Badenoch ist am vergangenen Wochenende zur neuen Vorsitzenden der Konservativen ausgerufen worden. 57 Prozent der Mitglieder stimmten für die frühere Wirtschafts-, Handels- und Frauenministerin. Daß die 44jährige die erste Schwarze an der Spitze der ältesten Partei des Landes ist, machte Schlagzeilen. Gleichzeitig steht Badenoch klar auf dem rechten Flügel: Sie ist ein harter Gegner der „woken“ Linken, hat sich gegen Transgender-Personen in Frauenumkleiden ausgesprochen und gegen Reparationen für die Sklaverei.

Für viele Linke ist die Politikerin, die Margaret Thatcher als ihre Heldin bezeichnet, ein rotes Tuch. Die Labour-Abgeordnete Dawn Butler verbreitete auf X einen Post, der Badenoch als „Weiße Vorherrschaft in Blackface“ und „schwarzen Kollaborateur“ bezeichnete. Eine muslimische Labour-Politikerin attackierte sie als Vertreterin der Islamophobie und Ausdruck des „Rechtsrucks“ der Konservativen.

Rechtes Lager bleibt gespalten

Geboren in Südlondon, hat Badenoch ihre Jugend in Nigeria verbracht, bevor sie mit 16 Jahren zurück an die Themse kam. Nach einem Studium der Computersystemtechnik sowie einem Jura-Abschluß arbeitete sie als IT-Spezialistin, Bankerin und beim Magazin The Spectator, bevor sie in der Politik Karriere machte.

Seit 2017 sitzt sie im Parlament und tat sich als scharfzüngige, angriffslustige und schlagfertige Politikerin hervor. Ihre Freunde loben sie als herzlich und kumpelhaft; Gegner bezeichnen sie als streitsüchtig. Als gutes Omen für die Konservativen erscheint, daß sie in einer aktuellen Umfrage erstmals seit drei Jahren mit 29 Prozent Zustimmung wieder vor Labour (28 Prozent) liegen. Auf dem dritten Platz steht aber weiterhin mit 17 Prozent die Reform-Partei von Nigel Farage. Der attackierte die Konservativen nach der Wahl von Badenoch. Sie stehe für ein Weiter-so der Tories und werde die Migrationskrise nicht lösen. Das konservativ-rechte Lager bleibt damit gespalten – das ist für Labour die gute Nachricht.

Aus der JF-Ausgabe 46/24.

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