Gewerbe in der Krise: Gewerbe in der Krise Von Berliner Trödel-Läden und Werten im Wandel der Zeit

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DVD, Migration, Bestellen

Die Suarezstraße in Charlottenburg ist „die“ Antikmeile in Berlin. Doch das Geschäft geriet in den letzten Jahren ins Stocken – alte Möbel und alte Lampen sind heute weniger gefragt als noch vor 20 oder 30 Jahren. Im Geschäft von Uta Döring kommen die alten Dinge aus Wohnungsauflösungen zusammen. In dem dicht bestückten Laden hängen wunderschöne Kristalleuchter von der Decke, hinter Glas warten edle Porzellangeschirre auf Käufer, aufwendig gearbeitete Wanduhren zeigen eine Zeit an, die lange vorbei ist.

Auf TV-Journalisten ist die Inhaberin allerdings schlecht zu sprechen. „Wir hatten vor Jahren einmal eine Besichtigung einer Wohnung, die geräumt werden sollte. Dabei wurden wir auch nach Preisen gefragt, die wir für bestimmte Stücke zahlen würden“, so Döring. „Nach der Besichtigung öffnete sich plötzlich eine Tür und ein Filmteam gab bekannt, daß wir die ganze Zeit heimlich für einen Privatsender gefilmt wurden.“ Der Beitrag sollte ihr aber vor Ausstrahlung vorgelegt werden. Es kam, wie es kommen mußte: Die Preisangaben, die Döring machte, wurden vom Filmteam als viel zu niedrig eingestuft und Dörings Kommentare, daß dies nur Anhaltspunkte seien und die Preise erst im Nachgang genau recherchiert würden, aus dem Film herausgeschnitten.

Daß im Dschungel der Berliner Firmen, die Wohnungsentrümpelungen anbieten, so einiges im argen liegt, ist unter Branchenkennern allerdings ein offenes Geheimnis. Wenn man bedenkt, daß pro Jahr in Deutschland rund eine Million Menschen sterben und dabei pro Person im Schnitt rund 10.000 Dinge hinterlassen, kann man eine Ahnung davon erhalten, wie es um das Geschäft mit dem Aufräumen und Entsorgen steht.

Schwierigkeiten bei der Findung von neuem Personal

„Vor 30 Jahren, als wir anfingen, mußte man als Wohnungsentrümpler noch eine Genehmigung vom Senator für Umwelt haben“, erzählt Döring, deren Unternehmen seit 1984 existiert. Allerdings habe das vom Amt praktisch nie jemand überprüft. Im Gegensatz zu anderen Anbietern arbeitet Döring mit einer Betriebshaftpflichtversicherung. Jede Wohnung sei natürlich anders, deswegen wird vor der Entrümpelung immer eine Besichtigung gemacht. Wenn sich zum Beispiel in einer Zwei-Zimmer-Wohnung nur wertloser Kram befindet, kostet eine Entrümpelung im Schnitt zwischen 1.500 und 2.000 Euro, so Döring. Bei Wohnungen, die wertvolle Stücke enthalten, werden individuelle Kostenberechnungen erstellt.

Döring hat in jüngster Zeit große Schwierigkeiten, Personal zu finden. Wenn sie Stellenanzeigen schaltet, melden sich fast nur Menschen, die „ohne Papiere“ arbeiten wollten. Sie möchte aber nur legal tätige Mitarbeiter langfristig beschäftigen, und wünscht sich vom Senat mehr Kontrollen. Auch würden andere Unternehmen bisweilen für Wohnungsauflösungen mit Transportern ohne Firmenlogo auf die Höfe der Berliner Stadtreinigung (BSR) fahren, um Kosten für das Müllabladen zu sparen. 

Warum die schönen alten Möbel und Haushaltsgegenstände, anstatt sie wegzuschmeißen, nicht an die zahlreichen Flüchtlinge für die Wohnungsausstattung verkauft werden? Hier hat Döring beobachtet, daß die Kostenübernahme für die Wohnungsausstattung, die oft über 1.000 Euro beträgt, von Migranten fast nur für neue Möbel verwendet wird. Nachhaltig ist das nicht, zumal neue, preisgünstige Möbel oft eine viel kürzere Lebensdauer haben als die alten, handgefertigten Möbel aus Massivholz.

Trödel-Läden leiden unter den hohen Mietpreisen

Persönlich besucht Döring am liebsten die Wohnungen von alten Leuten. Die seien meist viel ordentlicher und sauberer als die Wohnungen von jungen Leuten. „Es schmerzt natürlich manchmal, zu sagen, daß fast alles, was die Wohnungsinhaber in den Jahren angesammelt haben, auf dem heutigen Markt praktisch nichts mehr wert ist“, sagt Döring. Mit dem Beil vor den Augen der Bewohner Antiquitäten zu Kleinholz zu zertrümmern, wie es andere Firmen praktizieren, vermeidet sie jedoch. 

Ein weiterer Grund für die Misere der Berliner Trödelläden sei natürlich die Mietpreisentwicklung. Mit Trödel sei kein hoher Gewinn zu erwirtschaften, und auch Döring mußte aus diesem Grund schon zweimal umziehen. Die meisten kleinen Trödler aber resignierten und gäben ihre Läden bei Mietpreiserhöhung auf. 

Preise rauschen in den Keller

Nicht nur das Internet, auch der Geschmack der jungen Generation ist ein Grund dafür, daß Möbel aus der Gründerzeit, dem Jugendstil oder dem Biedermeier heute fast keine Abnehmer mehr fänden. Von den jungen Leuten gäbe es laut Döring nicht mehr viele, die das toll fänden. Vielleicht mal eine Antiquität zwischendrin, um dem Ikea-Look etwas entgegenzusetzen, mehr meistens nicht. Den Preisverfall bei Antiquitäten schildert Döring anhand eines Biedermeier-Sekretärs: dafür seien vor 20 Jahren noch um 1.500 Euro aufgerufen worden, heute kann man froh sein, noch 300 Euro zu bekommen. 

Positiv bewertet Döring das BSR-Projekt „NochMall“, laut Eigenwerbung ein „Erlebnis­ort für Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung“ und das erste Kaufhaus der Hauptstadt für Gebrauchtes. Dazu gibt es Workshops, wie man beispielsweise Rissen, Löchern und Flecken auf Kleidern zu Leibe rückt.

JF 15/24

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