Gemeinschaftssender von ARD und ZDF Zensur: Wie bei „Phoenix“ Bundestagsreden aus Live-Streams verschwinden

BERLIN. In der Aktuellen Stunde des Bundestags ging es um „Meinungsfreiheit in Deutschland“ und damit auch um Zensur. Doch an jener Stelle, an der der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sprach, zeigt „Phoenix“ für 5:40 Minuten ausschließlich ein schwarzes Bild ohne Ton. Der öffentlich-rechtliche Sender hatte die Debatte live übertragen und später auf YouTube eingestellt. Dort ist die Rede bis heute zensiert.

Die Aktuelle Stunde fand zwar schon im Oktober 2019 statt, aber Kubicki wurde erst jetzt auf den „weiteren beunruhigenden Fall“ aufmerksam, wie er am Mittwoch auf seiner Webseite schreibt. Denn es ist nicht das erste Mal, daß der stellvertretende Bundestagspräsident auf „Phoenix“ Opfer von Zensur wird.

Schon seine Bundestagsrede zur allgemeinen Corona-Impfpflicht sei 2022 aus einem laufenden „Phoenix“-Livestream bei YouTube herausgeschnitten worden. Kubicki: „Erst nach Intervention meines Büros wurde diese Rede noch einmal separat von ‚Phoenix‘ aufgespielt.“ Der Sender habe ihm diesen Vorgang nicht erklären können. „Phoenix“ wird als Gemeinschaftseinrichtung von ARD und ZDF betrieben.

Welche Reden fallen unter die „Phoenix“-Zensur?

Eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT zu beiden Fällen und bei welchen Reden der gebührenfinanzierte Sender darüber hinaus noch Zensur ausübt, hatte „Phoenix“ bei Redaktionsschluß noch nicht beantwortet. Die Anstalt behauptete seinerzeit, sie sei – so Kubicki – „zu einem solchen Eingriff technisch gar nicht in der Lage“.

Kubicki schreibt zu der damaligen Zensur jetzt: „Ich hatte diese Episode damals als merkwürdig empfunden, habe diesen Vorgang dann aber nicht noch weiter aufgearbeitet.“ Doch jetzt, nach dem zweiten Fall, wird er stutzig. Denn „alle nachfolgenden Reden sind weiterhin einsehbar“. Tatsächlich folgt nach dem Schwarzbild die Rede der CDU/CSU-Rechtsexpertin Elisabeth Winkelmeier-Becker.

Nun wird der studierte Jurist Kubicki deutlich: „Es liegt sehr nahe, daß dies a. auf einem redaktionellen Eingriff beruht und damit b. eine bewußte Manipulation der Videowiedergabe der Plenardebatte ist.“ Der FDP-Vize vermutet offenbar System hinter der Löschung: „Dabei geht es nicht um mich allein. Ich bin durchaus in der Lage, meine politischen Botschaften abseits des Phoenix-Kanals bei YouTube so zu platzieren, daß ich zur Willensbildung beitragen kann.“

Kubicki: „Sehr ernster Vorgang“

Vielmehr gehe es darum, daß „sich Menschen sehr oft des öffentlich-rechtlichen Angebotes auf YouTube bedienen und dies als Primärquelle“ gelte. Kubicki: „Ein Weglassen von Wortbeiträgen verzerrt jedoch den Wesensgehalt einer Plenardebatte und beeinträchtigt den Willensbildungsprozeß.“ Er befürchtet, „wir können jene kaum vom Gegenteil überzeugen, die nicht mehr an einen offenen Diskurs, an die Geltung der Meinungsfreiheit im Lande glauben.“

Man öffne die „Büchse der Pandora“, wenn wir diese Art der Einflußnahme durch Dritte zulasten einer bestimmten politischen Richtung schulterzuckend hinnehmen“. Er halte „einen solchen Eingriff bzw. eine Unterdrückung von angeblich mißliebigen Wortbeiträgen im Rahmen von Debatten im höchsten deutschen Parlament für einen sehr ernsten Vorgang, der die Integrität des demokratischen Streits berührt.“ Er fordert die „Rückkehr zu geordneten Verhältnissen im Verfassungsstaat“. (fh)

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