Bundestag: Bundestag Warum der AfD-Verbotsantrag plötzlich so umstritten ist

BERLIN. Der nun offenbar fertige und über ein Jahr erarbeitete überfraktionelle Antrag für ein AfD-Verbot hat Streit im politischen Berlin ausgelöst. Nach derzeitigem Stand scheint er kaum eine Chance auf eine Mehrheit im Bundestag zu haben. Denn fast alle Staatsrechtler, die sich inzwischen geäußert haben, halten ihn für aussichtlos – weil die AfD nicht die Bedingungen für ein Parteiverbot erfülle. Dafür müßte sie „aggressiv-kämpferisch“ die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen.

Und so fürchten auch die meisten Spitzenpolitiker, daß die Initiative vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe scheitern wird und damit letztlich der AfD nutzt.

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, faßte die überwiegende Stimmung treffend so zusammen: Die AfD könne sich als Opfer inszenieren, daher würde das Vorhaben „mehr schaden als nutzen“. Der Welt sagte er: „Das Scheitern eines solchen Antrags wäre eine Katastrophe.“ Daher sei die Skepsis in der FDP-Fraktion sehr groß.

Grüne als einzige Fraktion für AfD-Verbotsantrag

Gestern war bekannt geworden, daß der sächsische CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz mehr als die notwendigen 37 Unterschriften für den Verbotsantrag gesammelt hat. Angeblich sollen es aus jeder Fraktion und Gruppe – mit Ausnahme von FDP und BSW – mindestens zehn Abgeordnete sein. Offenbar waren die AfD-Wahlergebnisse von knapp unter und zum Teil deutlich mehr als 30 Prozent in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ausschlaggebend, um den Willen zu verstärken, die Konkurrenz zu verbieten.

Aktuell sind die Grünen, die die drittstärkste Fraktion im Bundestag stellen, die einzigen, die sich hinter dem Antrag versammeln wollen. Der größte Teil der Abgeordneten werde zustimmen, hieß es aus der Fraktion. Auch die Linken-Gruppe unterstützt das AfD-Verbot, will die Entscheidung aber freigeben.

SPD sieht Antrag „kontraproduktiv“

Die SPD ist wegen der offensichtlichen Chancenlosigkeit hin- und hergerissen. Politisch wünschen sich die Sozialdemokraten nichts sehnlicher als ein Verschwinden der AfD – juristisch scheint das aber nicht durchsetzbar. „Ein Verbotsantrag wäre jetzt politisch kontraproduktiv“, sagte die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, dem Tagesspiegel.

Bemerkenswert ist, für wie unwissend Schwan die Menschen hält: „Es würde noch mehr Bürgerinnen und Bürger, die mit den Bedingungen und Erfordernissen der pluralistischen Demokratie wenig vertraut sind und sich mit ihr deshalb nicht identifizieren können, in die Arme der AfD treiben.“

CDU geht auf Distanz zu Wanderwitz

Obwohl der Antrag von einem Mitglied ihrer Fraktion initiiert wurde, geht auch die Union auf deutliche Distanz: Ein AfD-Verbotsverfahren halte man für den „falschen Weg in der Auseinandersetzung mit dieser Partei“, sagte der innenpolitische Sprecher, Alexander Throm (CDU) der Welt. Die CDU/CSU wolle „die AfD politisch bekämpfen und so ihren Extremismus offenlegen“. Seine Fraktion werde im Bundestag gegen den Verbotsantrag stimmen.

Obwohl ihr Brandenburger Spitzenkandidat Robert Crumbach im Wahlkampf noch ein AfD-Verbot gefordert hatte, lehnte nun auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht den Antrag als den „dümmsten des Jahres“ ab. Auf T-Online sagte sie, dies sei „ein Wahlkampfgeschenk par excellence an die AfD aus der Mitte des Bundestages“.

Die Bemühungen um ein Parteiverbot gehen allerdings auch auf anderer Ebene weiter. So erwägt der rot-rot-grüne Senat von Bremen, einen Verbotsantrag über den Bundesrat einzubringen. Inzwischen habe man eine Materialsammlung anlegen lassen, um das Vorhaben zu forcieren.

So will die SPD den Antrag retten

Nachdem der Wanderwitz-Antrag im Bundestag nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen ist, kommt aus der SPD der Vorschlag, ihn abzuschwächen. Denn auch eine Ablehnung im Bundestag würde der AfD nutzen, so die Befürchtung der Sozialdemokraten.

Das Anliegen der AfD-Verbotsanhänger könnte doch noch eine Mehrheit bekommen, so die Erwägung der Kanzlerpartei, wenn es als Prüfauftrag an die Bundesregierung ginge, damit diese ein entsprechendes Verfahren in Karlsruhe beantrage. In der Ampel-Koalition könnte der Antrag dann ausgesessen werden und langsam versanden. (fh)

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