Aufstand gegen den Adel: Aufstand gegen den Adel Mit Schneckenhäusern fing der Bauernkrieg an

Am 23. Juni 1524 zogen Hunderte von wütenden Bauern vor das Bergschloß der Grafen von Stühlingen in Schwaben. Die Gründe waren schwerwiegend, der Anlaß indes mehr als absurd. Seit Jahren wurden die Bauern von Adel und Klerus mit immer härteren Abgaben und Frondiensten bedrückt sowie zunehmend in die Leibeigenschaft gedrängt. Nun forderte die Gräfin von Lupfen während des Einbringens der Ernte von ihren Bauern, nach Schneckenhäusern zu suchen, die sie für das Aufwickeln von Garn benötigte. Dies war der sprichwörtliche Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, zumal in den vergangenen Jahren Mißernten, schwere Unwetter und Überschwemmungen die wirtschaftliche Lage der schwäbischen Bauernschaft verschärft hatten.

Die Stühlinger Bauern zogen vor das Schloß und hielten eine Versammlung ab, in der sie ihre Beschwerden sammelten. Das Ergebnis waren 62 Beschwerdeartikel, die das Bestreben ihres Grundherrn Graf Siegmund von Lupfen abwiesen, die bäuerlichen Rechte noch weiter zu beschneiden.

Die Bauern verlangten die Wiederherstellung des „Alten Rechts“, das den dörflichen Gemeinschaften das Vorrecht zubilligte, gemäß mündlich überlieferter Weistümer in Gemeindestreitigkeiten selbst Recht zu sprechen, statt ihre Rechtsstreitigkeiten durch teure Advokaten an fernen Gerichten verhandeln zu lassen. Des weiteren forderten sie Freiheit des Fischfangs, der Jagd, freien Zugang zu den Weiden, Aufhebung der Leibeigenschaft, Ablösung der Renten, Gülten (Pachten) und Zinsen. Doch der Forderungskatalog blieb nicht auf die Dinge des täglichen Lebens beschränkt, sondern barg auch gesellschaftlichen Sprengstoff.

Denn den Bauern schwebte auch die Abschaffung des Adels, eine Reform der Kirche und die Erneuerung des Reiches vor. Ihre Forderungen waren im wesentlichen deckungsgleich mit denen vergangener Bauernaufstände oder diverser „Bundschuh“-Verschwörungen nach 1493, die in der Vergangenheit allesamt niedergeschlagen oder vorzeitig entdeckt worden waren.

Bauern setzten naive Hoffnungen auf gerechten Herrscher

Ihr mahnendes Beispiel schreckte die Stühlinger Rebellen nicht ab. Als die folgenden Verhandlungen scheiterten und die Fürsten versuchten, Söldner zu werben, organisierten sich die Stühlinger Bauern. Sie wählten Hans Müller von Bulgenbach zum Kommandanten eines Bauernhaufens, der durch Zulauf aus der Umgegend bald 1.200 Mann zählte, darunter 500 Landsknechte. Außerdem entwarfen sie eine Fahne mit den österreichischen Farben.

Das Aufstandsbanner unterstrich in den Augen der Bauern ihre Treue zum Kaiser und dessen Stellvertreter im Deutschen Reich, Erzherzog Ferdinand von Habsburg. Die Maßnahme war als Legitimation der Rebellion gedacht, indes von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie entsprang dem kindlichen Wunsch des Untertanen nach einem Urteilsspruch des gerechten Herrschers, der angeblich nicht von den Mißständen seines Reiches wußte. In den Augen der Aufständischen war nur der Kaiser in der Lage, die göttliche Gerechtigkeit wiederherzustellen, gegen die der gottlose Adel und Klerus in ihren Augen verstoßen hatte. Diese Forderung nach der Verwirklichung des Göttlichen Rechts sollte in den folgenden Wochen zu einer der tragenden Losungen des Deutschen Bauernkriegs werden.

Die Bauern organisierten sich jedoch nicht nur militärisch, sondern verbündeten sich am 24. August auch mit der Stadt Waldshut. Die Drohkulisse zeigte sofortige Wirkung. Angesichts der Bedrohung durch den Bauernhaufen, erklärte sich Graf Siegmund von Lupfen zu ersten Verhandlungen bereit. Als diese scheiterten, zogen die Stühlinger Bauern vor Schloß Hohenlupfen, das sie zwei Wochen lang vergeblich belagerten, wie ein Zeitgenosse berichtet: „Aber so sie kain Geschütz hatten, damit sie die Muren brechen, mochten sie das Schloß nit gewinnen.“

Bauernkrieg weitete sich aus

Obwohl die erste Kampfhandlung des Bauernkriegs für die Bauern mit einem Rückschlag endete, wurde sie zum Auftakt des Deutschen Bauernkriegs. In der Folgezeit gelang es den Stühlinger Bauern, die Aufstandsbewegung auf das Gebiet des gesamten südlichen Schwarzwalds sowie des Hegaus und Klettgaus auszuweiten, was die Adelspartei erneut zu Unterhandlungen mit den Bauern zwang. Die Verhandlungen erwiesen sich von Anfang an als fruchtlos. Der Fall der Stühlinger Bauern wurde erst systematisch verschleppt, dann dem Reichskammergericht in Esslingen übergeben. Die von den Bauern erhobenen Forderungen wurden bis zur Entscheidungsfindung ausgesetzt, worauf die Gemäßigten unter den Bauernhaufen wieder zu ihren Höfen zurückkehrten.

Nur Hans Müller und eine Schar getreuer Kämpfer zogen weiter. Sie trugen die Fackel des Aufstands noch tiefer in den Schwarzwald hinein, wo die Stühlinger mit einem neuen Haufen unter dem Kommando von Oswald Meder zusammengingen. Überall, wo sie hinkamen, steckten Bauern Fahnen auf, denn jeder wußte im Hegau, Schwarzwald oder Allgäu über Fürstenwillkür zu klagen.

Die Berichte waren haarsträubend und wurden durch Kolportage zusätzlich verstärkt. So war ein Bauer geköpft worden, weil er ohne Erlaubnis seines Grundherren im Bach Forellen gefangen hatte. Ein anderer Bauer verbüßte eine zweijährige Kerkerhaft, weil er seiner Herrschaft zu wenig Weizen geliefert hatte. Einen dritten hatte es angeblich das Leben gekostet, weil er den Sohn des Bischofs „Mönchskind“ genannt hatte. Die Aufständischen profitierten von der sozialen Gärung und erhielten großen Zulauf.

Noch fehlte den Bauern ein Revolutionsprogramm

Das konnten die Mächtigen nicht zulassen. Ausgerechnet der von den Bauern als gerecht angesehene Erzherzog Ferdinand von Habsburg bestellte den Truchseß Ernst von Waldenburg zum Feldhauptmann. Gnadenlos übertrug ihm der Habsburger die Aufgabe, die Rebellion mit seinem Heer erbarmungslos niederzuschlagen: „ … denn pesser ist ain verdorben, denn ain verloren Land.“ Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Aufstand flächendeckend in Süd- und Mitteldeutschland ausbrach.

Aber noch fehlte den Bauern ein Programm, das geeignet war, die Aufstandsbewegung zur flächendeckenden Revolution umzugestalten. Agitatoren wie der revolutionäre „Mordprophet“ Thomas Müntzer sowie der Kürschner Sebastian Lotzer und der Memminger Reformator Christoph Schappeler agitierten indes im Untergrund. Sie sollten die Rebellion mit ihren revolutionären Predigten und Schriften zu einer Revolution entfachen, wie sie in deutschen Landen nie zuvor stattgefunden hatte.

JF 26/24

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