Als jemand, der viele Jahre lang in Brüssel kunsthistorische Vorlesungen zur Rezeption und Instrumentalisierung der antiken Architektur im Neoklassizismus des 19. und 20. Jahrhunderts gehalten hat, ist es überaus ermüdend zu sehen, daß die leidige Debatte um die „Bauhaus“-Kritik der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt auf einem Niveau geführt wird, das eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten überholt sein sollte; ein weiteres Zeichen für den erschreckenden Bildungsverfall der Bundesrepublik.
Da ist zunächst die Sache selbst: Daran zu erinnern, daß das „Bauhaus“ eine klare Mitschuld an der theoretischen und praktischen Entmenschlichung baulicher Lebensräume trägt, wie sie vor allem nach dem Krieg dazu geführt hat, das Werk der Bombardierungen freiwillig zu vollenden und jene gräßlichen, ebenso unpersönlichen wie kalten Stadtlandschaften zu schaffen, wie sie ganz Deutschland entstellen, sollte eigentlich kein Skandal sein, sondern ist seit Jahrzehnten mit guten Argumenten auf allen Seiten durchdiskutiert worden.
Das „Bauhaus“ hat hierfür aber keineswegs eine alleinige Verantwortung, wie durch die gegenwärtige Frontenstellung manchmal suggeriert wird, denn die Debatte zwischen Modernisten und Traditionalisten in der Architektur tobt schon seit dem späten 19. Jahrhundert in der ganzen abendländischen Welt, und es steht nirgendwo geschrieben, daß Adolf Loos mit seinem „Ornament und Verbrechen“, die von der Weimarer Republik subventionierte „Entstuckungswelle“ der 1920er oder Le Corbusier mit seinem gräßlichen Ideal der „Wohnmaschine“ einen wie auch immer gearteten absoluten Wahrheitsanspruch verkörpern.
Das Bauhaus eignet sich nicht als antifaschistischer Märtyrer
Ganz im Gegenteil zeigt das vor allem von Architekten wie Léon Krier oder Quinlan Terry vertretene „Neue traditionelle Bauen“ ebenso wie der Erfolg bei der Rekonstruktion historischer Innenstädte in den letzten Jahren, daß die Zeit der alleinigen ästhetischen Deutungshoheit des Modernismus zu Ende geht und der entfesselte Rationalismus sich in den Augen der meisten Menschen, zumindest was ihren eigenen privaten Lebensraum angeht, ad absurdum geführt hat.
Auch eignet das Bauhaus sich kaum zum einseitigen, unbescholtenen „Märtyrer“ antifaschistischen Kampfes, denn auf der einen Seite ist seit Jahren gut erforscht, wie sehr auch das Bauhaus in die Unterstützung des Dritten Reichs verstrickt war (bis vor wenigen Wochen lief zu diesem Thema sogar eine Großausstellung der „Klassik-Stiftung Weimar“) und übrigens auch mit der stalinistischen Diktatur geliebäugelt hat.
Zum anderen war auch das nationalsozialistische Bauen alles andere als einseitig Blut-und-Boden-affin: Während die Wohnbauten im „Heimatstil“ und die Repräsentationsarchitektur in einem ursprünglich eher modernistischen, dann zunehmend barock überladenen Neoklassizismus gehalten waren, so wurden Zweckbauten selbstverständlich weiterhin in einem rein rationalistischen Idiom gehalten, das vollkommen den Idealen des Bauhaus entsprach.
Der neue Stil gab wertvolle Anregungen
Und die Leichtigkeit, mit der viele NS-Architekten vor 1933 modernistisch bauten und nach dem Krieg wieder zu ihrem ursprünglichen Idiom zurückfanden, gleichzeitig aber durchaus die auto-orientierten stadtplanerischen Kahlschläge der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches fortsetzten, zeigt, wie fließend auch damals die Übergänge sein konnten. Daß „modernes Bauen“ demokratisch und „klassizistisches“ totalitär sei, ist ein seit langem überholter Mythos.
So verständlich aber eine Kritik am „Bauhaus“ scheint, so sehr kann man sich doch die Frage nach ihrem politischen Nutzen stellen. Man mag für neue Bauten mit guten Gründen eine Rückkehr zu menschlichen Proportionen und traditionalen Formen befürworten; das „Bauhaus“ gehört aber unweigerlich zur Geschichte der deutschen und europäischen Architektur dazu, ob wir wollen oder nicht, und sollte mit seinen Licht- und Schattenseiten konstruktiv gewürdigt werden.
Im Rückblick wurde hier zwar eine Entwicklung eingeleitet, die als überaus destruktiv gewertet werden kann. Aber aus der Perspektive des frühen 20. Jahrhunderts, das noch ganz unter dem Eindruck der oft geschmacklos überladenen und historistisch beliebig zusammengewürfelten Ornamente stand, welche auf Fassaden und Gebäude appliziert wurden, deren Konstruktionsweise und Funktion gänzlich anderen Imperativen folgten, hat das „Bauhaus“ wertvolle Anregungen für ein neues, integrales Bauen und eine Wertschätzung von Material und Zweckmäßigkeit geliefert, die damals abhanden zu kommen drohte.
Unsere Zeit hat keinen Stil
Das „Bauhaus“ gehört zur Geschichte unserer Baukunst ebenso hinzu wie die Abstraktion zur Malerei oder die Atonalität zur Tonkunst, die allesamt ebenfalls tiefreichende Wurzeln hatten und reale Verknöcherungen aufbrechen wollten, dadurch aber auch die gesamte abendländische Kunst an ein „Ende“ führten, über das sie seitdem nicht mehr wirklich hinauskommt – eine Diskussion, die man schon 1947 in Thomas Manns „Doktor Faustus“ erschöpfend nachlesen konnte.
Die echte Frage, die sich nun stellt, ist nicht: „Wer war schuld?“, sondern: „Wie geht es weiter?“ Und aus dieser Warte ist es zwar höchst begrüßenswert, wenn ästhetische Fragen endlich in Parlamenten diskutiert werden. Es macht aber keinen Sinn, diese rein retrospektiv und destruktiv zu verhandeln oder gar das „Bauhaus“ gegen die angeblich gute alte Zeit des Wilhelminismus auszuspielen.
„Der Zeit ihre Kunst“, lautet das Motto der Wiener „Secession“, und das Fehlen einer eigentlichen Kunst des 21. Jahrhunderts, die über Pastiches, Moden, Tricks und „mutige Statements“ hinausgeht, zeigt in vielem eigentlich schon, in was für einer posthistorischen Ära wir bereits leben, denn ohne Kunst gibt es auch keine eigentliche und sinnvolle „Zeit“ im zivilisatorischen Verständnis.
Muß die AfD Kunstpreise ausloben?
Nun liegt es nicht an einer politischen Partei, eine solche Kunst auch selbst hervorzubringen, aber nachdem das Thema einmal berührt wurde, sollte es auch konsequent durchgeführt werden. Sollte die im „Bauhaus-Antrag“ geäußerte, im Prinzip hochwillkommene Sorge um die ästhetische Qualität des deutschen Bauens ernst gemeint sein, wäre der nächste Schritt eigentlich der Übergang von bloß retrospektiven Debatten zur konstruktiven Tat.
Sollte die AfD zur Verdeutlichung ihres eigenen architektonischen Anspruchs nicht eine repräsentative Parteizentrale bauen lassen? Kunstpreise ausloben? Einen eigenen Verlag nicht nur für Programmschriften, sondern auch Belletristik gründen? Ihre Büros mit eigens geförderter zeitgenössischer Kunst schmücken? Einen Konzertsaal errichten, in dem die Werke junger Komponisten aufgeführt würden? Ich fände das Resultat hochinteressant.
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Quellenlink : Architekturdebatte: Architekturdebatte Wieso die AfD mit der Bauhaus-Debatte einen wunden Punkt trifft